Manchen Oberärzten kann man es nie recht machen. Man bemüht sich und wird trotzdem in regelmäßigen Abständen angeschnauzt. Ist man unerfahren, jung oder aus sonstigen Gründen nicht so gefestigt, verunsichert einen das. Man zweifelt, nimmt es persönlich.
Chirurgie war und ist eine Männerdomäne. Im Operationssaal herrscht dementsprechend oft ein rauer Ton. Das ist kein alter Hut, sondern eine andauernde Kopfbedeckung. Der raue Ton hat nicht unbedingt etwas mit Unhöflichkeit zu tun, sondern hat auch einen Sinn. Zwar geht es in wenigen Fällen wie in Grey’s Anatomy um Leben und Tod direkt auf dem Tisch, da der Tod meistens schleichend kommt. Aber wenn es einmal um eine in der Sekunde lebensentscheidende Wahl geht, gibt es für ein Bitte und Danke keine Zeit.
Nichtsdestotrotz, als Assistenz mancher Obrigkeiten muss man sich viel gefallen lassen und bestimmt mehr als eigentlich nötig wäre. Man bereitet sich vor, weiß alle Laborwerte und Details der Krankengeschichte auswendig, aber dann wagt man es, eine Sekunde zu lange zu saugen. Oder zu kurz. Oder man hält den Haken um ein Grad zu steil. Gerade bei solchen Chefitäten verfalle ich beim Hakenhalten in eine Katatonie, man könnte meine Person in solchen Situationen perfekt für das Malen eines Stilllebens verwenden. Damit er oder sie nichts auszusetzen hat. Genau so verharren, wie man platziert wurde. Der Chef packt meine Hand, stellt den Haken um, indem er ihn einige Zentimeter aus dem Situs zieht. Ich verharre in der neu eingestellten Situation. Einige Sekunden später brüllt es mir in mein Ohr: „Diese Assistenten von heute halten nichts mehr aus, muss ich den Haken jetzt selbst halten? Sie sind mit dem Haken rausgerutscht!!!“
Der ebenfalls am Tisch stehende Oberarzt erklärt mir nach der Operation, dass man hier erst ab der Stufe Oberarzt nicht mehr angemotzt wird und er die Masche mit dem Hakenrausziehen und dann die Assistenten anschnauzen nicht erst ein paar Mal gebracht hat.