Ist ein Katheter ein Implantat? An dieser Frage verdeutlicht sich, dass die Juristerei und die Medizin zwei ganz unterschiedliche Baustellen sind. Zum Sachverhalt: Ein Patient kommt mit einem liegenden Katheter ins Krankenhaus und hat bzw. bekommt einen Harnwegsinfekt.
Die Ärzte stellten die Diagnose T83.5: Infektion und entzündliche Reaktion durch Prothese, Implantat oder Transplantat im Harntrakt. Infektion stimmt zumindest schon einmal. Da sind sich auch alle einig. Das Problem liegt nun beim Wie und Woher. Der aufmerksame Leser wird sich nämlich fragen: Implantat? Prothese? Transplantat? Da passt etwas nicht. Aber es wurde trotzdem so kodiert. Warum?
Zum einen ist immer so spezifisch wie möglich zu kodieren. Und ich denke, wir sind uns alle einig, dass lediglich die Angabe eines Harnwegsinfektes nicht spezifisch genug ist. Ein liegender Harnwegskatheter dürfte nach meiner Auffassung ein Faktor sein, den jeder Arzt in irgendeiner Weise bei einem vorhandenen Harnwegsinfekt berücksichtigen wird. Also muss diese Tatsache in der Kodierung auch irgendwie abgebildet werden.
Ja, nein, vielleicht: Was ist denn nun richtig?
Zum anderen steht die Diagnose T83.5 in dem Kapitel: „Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht klassifiziert; Komplikationen durch Prothesen, Implantate oder Transplantate im Urogenitaltrakt“.
Die Diagnosen im erwähnten Kapitel beziehen teilweise auch den Harnwegskatheter ausdrücklich mit ein, zum Beispiel: „T83.0: Mechanische Komplikation durch einen Harnwegskatheter (Verweilkatheter)“.
Da könnte man auf die Idee kommen, den Harnwegsinfekt als eine Komplikation infolge oder in Zusammenhang mit dem liegenden Katheter zu sehen, eben als Folge des Implantats sozusagen. Da „nur“ der Harnwegsinfekt den Fall nicht ausreichend beschreibt. Lange Rede kurzer Sinn: Einige sagen, ja, die T83.5 ist an dieser Stelle zu kodieren, andere sagen nein.
Schlussendlich liegt der Sachverhalt nun zur Beurteilung beim Bundessozialgericht, allerdings nur als Nichtzulassungsbeschwerde.
Sachsen sagt ja, Berlin sagt nein
Unbefriedigend in der Sache ist in erster Linie, dass das Landessozialgericht Sachsen die T83.5 für zutreffend beurteilt und Berlin/Brandenburg das nicht tut. In Sachsen kann man also die T83.5 in der beschriebenen Angelegenheit kodieren – in Berlin/Brandenburg nicht. Mittlerweile liegt der Sachverhalt auch in Thüringen bei Gericht, also werden wir sehen, wohin uns die Reise führt.
Ach so, Folgendes habe ich vergessen zu erwähnen: Eine solche Diagnose macht jeweils etwa 1.000 Euro Erlösunterschied pro Fall aus. Dieser Umstand sei natürlich nur nebenbei erwähnt.
Nachtrag:
LSG Sachsen, L 1 KR 252/13, Urteil vom 27.10.2017
LSG Berlin-Brandenburg, L 1 KR 238/15, Urteil vom 14.09.2017