In Gesprächen mit Eltern, Verwandten oder anderen Nicht-Medizinern wird man manchmal mit lieb-begeisterten Bermerkungen wie “Boah, also ich könnte das nie!” überrascht. Das finde ich süß, irgendwie. Nicht abwertend-süß, sondern einfach lieb und begeistert.
Irgendwie freuen mich diese Beifallsäußerung, andererseits denke ich mir auch, dass ich nie einen ganzen Tag mit Kindern verbringen könnte oder indem ich die ganze Zeit vorm Bildschirm sitze oder eine andauernde kreative Textermaschine sein muss.
Wirklich interessant finde ich die Frage nach dem „ersten Mal”. Das stimmt mich immer etwas nachdenklich und versetzt mich Jahre zurück. Die Zeit schwindet so schnell, ich kann mich noch an den ersten Medizin-Unitag erinnern. Wie der Hörsaal aussah, an die ersten Worte des Vortragenden. Welchen Blödsinn ich notierte, weil in dem Moment alles wichtig war, ich wusste noch nicht wie und was filtern.
Und wie war es das erste Mal, als ich ein Messer nahm und die Haut öffnete, das Fleisch aufschnitt? Was war das für ein Gefühl? Die Frage klingt aufregender als die Antwort. Weil: Das Studium und der darauffolgende Beruf ist weder ER, noch Scrubs oder Grey’s Anatomy. Es gibt keine Zuschauer und keinen musikalischen Hintergrund. Das bedeutet: Es gibt kurze, aufregende Momente, die aber nur einen selbst ergreifen. Die nur wenige Millisekunden andauern. Es ist alles viel weniger bewegende als man denken könnte.
Zurück zum ersten Schnitt: Ich nahm das Messer und schnitt. Es war eine Leiche, im Seziersaal, ein Massenbetrieb und für die Tutoren und Professoren reine Routine. Kein Geschwafel, keine dramatischen Reden aus dem Off, keine tränenrührende Musik von Jill Andrews. Man konzentrierte sich auf das Fach und die Anatomie, die nächste Prüfung im Kopf, die studentischen Geldsorgen, das nächste Fach, für das es zu lernen gilt.
Jahre später, das Studium abgeschlossen, folgte der erste Schnitt in das lebendige Menschenfleisch. Grundsätzlich aufregend, aber dann doch auch der erste Schnitt in Richtung Routine.