BEST OF BLOGS | Ich habe schon unzähligen Menschen erklärt, was Scharlach ist. Selbst die hausärztlichen Kollegen sind offensichtlich überfordert.
Frau Grote stand mit Halsschmerzen vor der Anmeldung. Es ging ihr sichtlich schlecht und sie legte eine Überweisung ihres Hausarztes auf den Tresen. Dort stand mit heutigem Datum: V.a. Scharlach. Natürlich waren jetzt am späten Vormittag bereits alle Notfalltermine vergeben.
Dass ihr dieser Umstand erklärt wurde – auch mit dem Hinweis darauf, dass sie doch heute schon in einer Arztpraxis zur Behandlung gewesen sei – motivierte sie scheinbar nur noch mehr, auf eine rasche Vorstellung zu bestehen. Ihr Hausarzt hätte sie immerhin hierher überwiesen.
Meine Mitarbeiterin stellte mir schnell den Fall vor. Kurz wurden Blicke getauscht, dann gaben wir nach. Sie sollte sich mit etwas Wartezeit ins Wartezimmer setzen.
Frau Grote meint, sie hätte Scharlach
„Hallo Frau Grote, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte ich sie.
„Ich habe Scharlach!“, kam die knappe Antwort zurück.
Natürlich ist es enorm hilfreich, wenn der Patient gleich seine Diagnose mitbringt. Das spart mir viel Zeit und Hirnaktivität.
„Und welches Medikament soll ich Ihnen rezeptieren?“, habe ich natürlich nicht gefragt, sondern: „Bitte von vorne. Welche Beschwerden haben Sie denn?“
„Ich habe seit drei Tagen so ein dolles Kratzen im Hals“, beschrieb die Patientin ihr Leiden.
„Haben Sie noch Weiteres bemerkt?“, wollte ich ergänzend wissen.
Die Summe mehrerer Symptomen führt zur Diagnose Scharlach:
Verantwortlich für die Erkrankung ist eine Infektion mit ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A. Sie ist hochansteckend, kann mehrfach im Leben auftreten, vor allem Kinder aber auch Erwachsene befallen. In Einzelfällen können Komplikationen auftreten, weshalb die Therapie der Wahl die Behandlung mit einem Antibiotikum über 10 Tage ist. Sinnvolles Abwägen von Risiko und Nutzen.
Die Behandlung ist einfach. Penicillin V ist nahezu immer wirksam, weil es bisher keine Resistenzen der Scharlacherreger gibt. Da viele Untergruppen der Erreger und Toxine existieren, kann man sich immer wieder anstecken.
Halsschmerzen – nicht immer ist es Scharlach
Frau Grote hatte bis auf die Halsschmerzen keine der beschriebenen Symptome. Noch nicht mal einen geröteten Rachen. Auch niemand in ihrer Umgebung hatte Scharlach. Sie bestand trotzdem auf den Schnelltest, den sie als Erwachsene übrigens selbst bezahlen musste. Er war negativ. Beim Hinausgehen fragte ich Frau Grote noch, was denn der überweisende Hausarzt untersucht hätte.
„Och, den habe ich gar nicht gesehen. Die Arzthelferin hatte mir gesagt, ich müsse sofort zum Facharzt. Scharlach geht um, sagte sie. Ich solle das mal richtig abklären lassen.“
Dann hatte sie ihr eine Überweisung ausgestellt. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der Hausarzt für das Erstellen dieser Überweisung ohne Patientenkontakt ca. 3–4 mal so viel bei der KV abrechnen kann wie ich mit der kompletten Behandlung. Fraglich bleibt auch, warum er dieses Krankheitsbild nicht hausärztlich beherrschen sollte?
Bildquelle: Kevin Lehtla, Unsplash