Mitte Januar 2018 rief die britische Premierministerin Theresa May die erste Ministerin für Einsamkeit ins Amt. Daten des Roten Kreuzes zufolge fühlten sich mehr als neun Millionen Briten häufig oder immer einsam.
Einsamkeit betrifft alle Altersklassen
Das neue Ministerium soll dieses wachsende Problem bekämpfen, dem immer mehr Senioren und pflegebedürftigen Menschen hilflos ausgesetzt sind. Angesichts der demografischen Entwicklung wird es in Zukunft immer mehr Personen geben, die sich einsam fühlen könnten. Betroffen sind aber keineswegs nur Rentner. Gerade in Osteuropa gehören die ganz jungen Menschen zur Zielgruppe der Einsamkeit. In armen Teilen Rumäniens verlassen viele Eltern ihre Kinder, um im Ausland Geld zu verdienen. Der Nachwuchs bleibt häufig zu Hause zurück und wird von Großeltern oder Nachbarn aufgezogen.
Welche Auswirkungen hat die Einsamkeit? Eine britische Studie soll belegen, dass Einsamkeit ab einem bestimmten Alter genauso schädlich ist, wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. Ob sich die Auswirkungen des einsamen Daseins tatsächlich so leicht von einer Zahl kennzeichnen lassen, ist zu bezweifeln. Dennoch gibt es zahlreiche Studien, die demselben Trend folgen: Einsamkeit führt zu verschiedenen Krankheiten, darunter auch Altersdemenz.
Wie viele Deutsche sich einsam fühlen
Auch wenn die Einsamkeit in aller Munde ist, muss klar zwischen ihr und dem Alleinsein unterschieden werden, betont die Psychologin Maike Luhmann in einem Interview mit heute.de. Es gibt Menschen, die sich gut fühlen, wenn sie alleine sind; anderen hingegen geht es schlecht. Sie werden von Einsamkeit heimgesucht, einem Gefühl, dass Betroffenen den Eindruck gibt, nicht genügend (befriedigende) soziale Beziehungen zu besitzen.
Wie viele Menschen sind davon in Deutschland betroffen? Schätzungen von Luhmann zufolge fühlen sich zehn bis 15 Prozent der Deutschen einsam; bei den Menschen über 85 Jahren ist die Quote überdurchschnittlich groß (20 Prozent). Das ist nicht verwunderlich, schließlich brechen in diesem Alter viele soziale Kontakte ab, sei es durch sterbende Freunde oder gesundheitliche Probleme.
Auch die 30- bis 40-Jährigen fühlen sich häufig einsam. Diese Altersgruppe ist vielen sozialen Änderungen ausgesetzt, angefangen bei Umzügen in fremde Städte über Ehetrennungen bis hin zum Auszug der Kinder.
Soziale Netzwerke können Einsamkeit verstärken
Wären die Folgen der Einsamkeit nicht bereits besorgniserregend genug, könnte es ein weiteres Problem geben: Derzeit analysieren Forscher rund um den Erdball, welche Rolle soziale Netzwerke beim Thema Einsamkeit haben. Treiben sich Menschen überwiegend auf Facebook und Twitter auf, weil sie einsam sind, oder verstärken die Netzwerke das Gefühl von Einsamkeit?
Dieser Frage gingen der Director of Research David Ginsberg sowie der Research Scientist Moire Burke von Facebook auf die Spur. In ihrem Ende 2017 publizierten Beitrag im Newsroom von Facebook erklärten die beiden Experten, dass soziale Netzwerke ein gravierendes Problem haben: Viele Menschen konsumieren Informationen passiv, ohne dass sie mit Menschen interagieren. Einer Studie der University of Michigan zufolge verschlechterte ein zehnminütiger Aufenthalt auf facebook.com die Laune zahlreicher Studenten; wer hingegen mit Kollegen sprach, fühlte sich gut.
Was Studien derzeit nicht sagen können, ist die Tatsache, wie schädlich soziale Netzwerke für den Nachwuchs sind. Welche Auswirkungen hat der passive Konsum von Nachrichten für Kinder, die keine Interaktion mit Freunden im Internet haben? Angesichts der Tatsache, dass unter dem Weihnachtsbaum vieler Familien immer häufiger ein Smartphone liegt, sollten sich Eltern aktiv mit diesem Thema befassen. Mehr noch: Eltern müssen zu einem Vorbild für ihre Kinder werden. Das ist leichter gesagt als getan, denn viele von ihnen leiden selbst unter dem Problem, das Smartphone nicht für mehrere Minuten weglegen zu können.
Der Kampf gegen Einsamkeit in Deutschland
In einem Interview mit FAZ.NET bezeichnet der Diakonie-Präsident Ulrich Lilie die Einsamkeit als eine „Kehrseite der wachsenden Mobilität“. In Europa ziehen immer mehr Menschen regelmäßig um, so wie es in den USA seit Jahrzehnten gang und gäbe ist; Arbeitnehmer pendeln häufiger ins Büro; Fernbeziehungen werden zur Regel. Sobald diese Menschen von Problemen geplagt werden, müssen sie alleine mit ihnen fertig werden.
Derzeit gibt es in Deutschland keine offiziellen Pläne, diesen Trend zu stoppen. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert, eine verantwortliche Person im Gesundheitsministerium zu finden, die der Einsamkeit den Kampf erklärt, so wie es bei den Briten der Fall ist.
Eine Einstufung als Krankheit könnte Betroffenen ebenfalls helfen. Unwahrscheinlich ist das nicht, schließlich plant die WHO, die Computerspielsucht als Krankheit einzustufen.