Nachdem es zunächst scharfe Debatten gab, hat sich der Ärztetag geeinigt: Die Homöopathie bleibt als Zusatz-Weiterbildung in der Medizin erhalten. Meine erste Reaktion: Ich freue mich über den Konsens. Doch dann stelle ich fest, dass ich eigentlich enttäuscht bin, ja, sogar entsetzt.
Es gibt eine Einigung. Das klingt irgendwie erstmal immer gut. In einem demokratischen Prozess hat sich die Mehrheit auf dem Ärztetag entschieden, die Weiterbildungsordnung, die auch die Zusatzbezeichnung Homöopathie enthält, zu beschließen. Damit hat Homöopathie weiterhin einen hohen Stellenwert in der ärztlichen Tätigkeit. Welches Signal sendet dieser Beschluss?
Auf den ersten Blick freut es mich, dass man einen Konsens gefunden hat. Aber auf den zweiten Blick bin ich enttäuscht, auf den dritten sogar entsetzt.
Leben wir im Jahre 1796?
Was ist Homöopathie? Kurz zusammengefasst handelt es sich um eine Idee von Samuel Hahnemann, der 1796 eine Krankheit als „eine besondre Stimmung“ des Organismus definierte. Die Symptome (nicht die Ursache – Anmerkung von mir) solle man erkennen und behandeln. „Ähnliches möge mit Ähnlichem geheilt werden“. Durch Verdünnen von Substanzen, die dem Krankheitsauslöser ähneln, soll die Heilkraft eines Wirkstoffes potenziert werden, der mitunter nicht mehr nachweisbar ist.
Nun, in Anbetracht der damaligen Heilmethoden, die Aderlass und Operationen ohne Narkose beinhalteten, scheint die Homöopathie das deutlich geringere Übel gewesen zu sein. Aber bringt es wirklich etwas, Behandlungsmethoden aus dem Jahre 1796 anzuwenden?
Es muss nicht immer Chemie sein
Ich finde nicht. In meinem Selbstverständnis der Medizin, insbesondere der HNO- Heilkunde, steckt so viel Gehaltvolles, dass ich auf derartig wirre Theorien nicht setzen muss. Ich setze durchaus auch auf Verfahren, die nicht unbedingt einer schulmedizinischen Behandlung mit chemisch hergestellen Arzneimitteln entsprechen:
Als Ergänzung zu meinem umfassenden wissenschaftlich-akademischen Spektrum empfinde ich diese Therapieoptionen als hilfreich uns selbstverständlich. Hierbei erfolgt viel Aufklärung über die Ursachen der Beschwerden. Ich setzte auf den gesunden Menschenverstand meiner Patienten und Eigenverantwortung. Das entspricht meiner Meinung nach einer ganzheitlichen Medizin, nicht die angebliche Energie in Kügelchen, in denen keine Wirkstoff-Moleküle mehr existieren.
Homöopathie als komplementäre Medizin
Auch ich möchte das Zitat von Dr. Montgomery erwähnen: „Es ist eine Tatsache, dass Homöopathie vielen Menschen hilft. Wichtig ist, dass es jemand macht, der weiß, wann sie nicht mehr helfen kann“, dann könne man auf normale schulmedizinische Verfahren umsteigen. Er sehe die Homöopathie als eine komplementäre Medizin, die in Verbindung mit guter medizinischer Ausbildung durchaus sinnvoll sei, so Montgomery weiter.
Hier spricht ein Politiker, der mal Medizin studiert hat.
Ein Arzt für Homöopathie äußert in den Westphälischen Nachrichten, dass es „völlig anachronistisch“ sei, eine im Schwerpunkt „sprechende und zuhörende“ Medizin aus dem Medizinbetrieb zu verbannen. Mit einer „bedrohlicher werdenden technokratischen Medizin“ brauche man die Homöopathen dringlicher denn je.
Globuli – Kugeln, die zuhören
Diese Aussage hinterlässt bei mir einen bitteren Nachgeschmack. Ist eine sprechende und zuhörende Medizin an Bachblüten, Globuli und Schüßler-Salze gebunden? Welch ein Irrtum. Hier wird ein so wichtiger Teil der Arzt-Patienten- Beziehung einfach aus der Hand gegeben. Dabei müssten wir Ärzte sie stärken.
Wenn die größte Rechtfertigung homöopathischer Heilmethoden die Tatsache ist, dass der Therapeut eine intensivere Anamnese erhebt und sich mehr Zeit nimmt, kommt für mich nur eine Schlussfolgerung in Frage: Honoriert diese Kontaktzeit zwischen Arzt und Patient besser, dann werden deratige Zaubertränke überflüssig.