Die junge Patientin in Kabine 1 hat eine klare Bitte: „Ich hätte gerne ein MRT der Lendenwirbelsäule.“ Aha, das geht ja gut los. Sie zeigt Symptome eines unspezifischen Rückenschmerzes, eine weitere Diagnostik ist nicht indiziert. Die Frau möchte sich damit aber nicht zufrieden geben.
„Guten Tag, mein Name ist Müller. Erzählen Sie mir auch wieso?“
„Ich habe Rückenschmerzen. Schon seit Ende der letzten Woche. Da sollte man jetzt wirklich eine Diagnose stellen. Es wird nämlich gar nicht besser. Beim Orthopäden bekomme ich aber erst in sechs Wochen einen Termin. So lange kann ich natürlich nicht auf das MRT warten. Und der Hausarzt meinte, das müsse sich zuerst ein Orthopäde ansehen.“
Den Hausarzt mag ich jetzt schon. Absolut richtig. Denn die Patientin zeigt weder in der Anamnese etwas Auffälliges, noch in der klinischen Untersuchung. Sie bietet die klassische Symptomatik eines unspezifischen Rückenschmerzes in der Lendenwirbelsäule ohne Hinweise auf eine Bandscheibenproblematik oder andere pathologischen Veränderungen. Auch eine Blockade kann ich ausschließen.
Ich nehme mir viel Zeit für die Patientin
Ich erkläre ihr freundlich und ausführlich meinen Untersuchungsbefund und kläre sie über die fehlende Indikation für eine weiterführenden Diagnostik auf. Außerdem informiere ich sie über die aktuell möglichen Therapiemaßnahmen.
Leider zeigt sie sich in keinster Weise verständig. Sie versucht ein Röntgenbild auszuhandeln und einen Wiedervorstellungstermin, falls es nicht besser wird.
Ich nehme mir trotz der vielen wartenden Patienten weitere wertvolle Minuten Zeit und unterhalte mich etwas mit ihr. Ich frage nach ihren sozialen Verhältnissen, ihrer Arbeit, ihren Freunden und ihrer Familie, eruire regelmäßige körperliche Bewegung und frage nach weiteren, auch psychischen Belastungsfaktoren.
Wie immer gibt es in jeder einzelnen Sparte genug Antworten, um die Beschwerden zu erklären. Sitzende Tätigkeit vor dem Bildschirm, keine Zeit für Sport, die Trennung vom Freund und der anstehende Auszug aus dem Elternhaus in die eigene Wohnung bieten durchaus Potenzial.
Sie ist mit meiner Diagnose trotzdem nicht zufrieden und verlässt die Notaufnahme wütend und enttäuscht.
Wenig später dann die Überraschung …
Ähnliche Gefühle empfinde ich fünf Tage später, als ich sie während der morgendlichen Visite zu Gesicht bekomme.
Der Kollege hat sie genau einen Tag nach ihrer Erstvorstellung, bei der Wiedervorstellung mit anhaltenden Schmerzen, zur stationären Schmerztherapie aufgenommen. Er hat ein MRT veranlasst und ihr rechtes ISGinfiltriert. Die durchgeführten Röntgen- und MRT-Bilder zeigen keinerlei Auffälligkeiten und die Spritze führte zu keiner wesentlichen Besserung.
Die Patientin liegt also weiterhin unzufrieden in ihrem Bett und versteht nicht, warum nun auch die ausführlichen Untersuchungen zu keiner anderen Diagnose geführt hat.
Ich frage mich währendessen, ob wir Ärzte in Gegenwart und Zukunft wohl einfach Ärzte bleiben dürfen.