Best of Blogs | Herr Dr. Maier ist 85 Jahre alt und hat sich den Schenkelhals gebrochen. Neben ihm steht sein Sohn. Der Patient ist Arzt, der Sohn auch. Und der Enkel studiert Medizin. Eine illustre Runde von Experten.
Bevor Herr Dr. Maier zu uns kam, war er schon in einem anderen Krankenhaus gewesen. Das hatte den Bruch zwar entdeckt, aber nicht operiert. Denn Herr Dr. Maier und sein Sohn sind Spezialfälle. Während ich sie über das Für und Wider einer Duokopf- oder Hüft-TEP aufkläre, erhalte ich einen Anruf des betreuenden niedergelassenen Orthopäden der beiden: Er stellt Fragen über Fragen. Wer operiert und wann und ob man es nicht auch verschrauben könnte.
Die Bilder soll ich bitte auf CD brennen lassen und dem Sohnemann mitgeben, damit eine weitere Meinung über die notwendige Versorgung eingeholt werden kann. Ich versuche, nett und freundlich zu bleiben.
Ich versuche außerdem, so gut es geht, aufzuklären. Die Kommunikation gestaltet sich äußerst schwierig. Also entscheide ich mich dazu, noch in der Notaufnahme meinen Chef dazu zu rufen. Der steht natürlich im OP, wird sich aber heute Abend noch einmal Zeit für die beiden nehmen.
Vieles spricht gegen eine OP: Alle sind dafür
Trotz stark eingeschränkter Mobilität und kardiorespiratorischer Grunderkrankung mit Blutverdünnung besteht Herr Dr. Maier auf die Hüft-TEP. Längere OP, größerer Blutverlust, Luxationsgefahr, etc. Aber der behandelnde Orthopäde draußen und der befreundete Chirurg und was-weiß-ich-wer empfehlen nun mal alle die Hüfte. Außerdem sei er schließlich für seine 85 Jahre noch erstaunlich fit, vor allem im Geiste.
Schulterzucken beim Chef. Er erklärt sich dazu bereit. Herr Dr. Maier und Dr. Maier jr. sind zufrieden, der niedergelassene Orthopäde auch. Ich werde bei Herrn Dr. Maier als erste Assistenz im OP dabei sein.
Die Einleitung dauert eine Stunde, die Intubation ist schwierig, der arterielle Zugang gelingt im dritten Versuch. Während des operativen Zugangs blutet es aus allen Ecken diffus, wir brauchen unüblich lange, um eine geeignete Sichtbarkeit zu schaffen. Die Fräse ist nach dem ersten Kontakt beinahe im kleinen Becken, die Knochenqualität ist miserabel.
Als die Pfanne sitzt und der Schaft zementiert ist, wage ich es, das erste Mal etwas entspannter zu atmen. Leider zu früh. Während der Reposition macht es Knack. Der Oberschenkelknochen ist kurz unterhalb des Prothesenschaftes gebrochen.
Zugang erweitern, Platte drauf, der Patient braucht einige Transfusionen, bleibt für mehrere Tage auf der Intensivstation und entwickelt ein postoperatives Delir. In den nächsten Tagen erwarte ich also die Luxation, wenn Herr Dr. Maier in seinem nächtlichen Wahn versuchen wird, über die Bettgitter zu steigen.
Also eigentlich alles völlig normal.