Ich untersuche einen Patienten mit Schulterschmerzen. Er kann sich kaum bewegen, geht unsicher und ist durcheinander. Eine Schulter-OP muss her, findet seine Frau. Im CT zeigt sich aber, dass es damit nicht getan ist, er muss in die Neurologie. Seine Gattin ist damit nicht einverstanden.
Die Nacht war kurz. Das Kind zu Hause bekommt Zähne. Als ich in die Klinik stolpere, habe ich zwei verschieden farbige Socken an. In meiner Kitteltasche fehlt das Stethoskop, dafür habe ich einen großen Kaffeefleck auf den Srubs darunter. Ich setze mich fünf Minuten auf einen Stuhl und schaffe gedankliche Klarheit.
Heute werde ich mal wieder für die Notaufnahme zuständig sein. Bereits vier Patienten warten auf meine Behandlung. Schnittverletzungen auf der Arbeit, eine Dame mit Rückenschmerzen und ein älterer Herr mit Schulterschmerzen.
Schulterschmerzen und Schwierigkeiten beim Gehen
Der ältere Herr ist in Begleitung seiner Ehefrau, die mir seine Symptomatik schildert. Unterträgliche Schulterschmerzen seien das. Der Orthopäde und Hausarzt seien mit ihrem Latein am Ende. Zuhause säße ihr Mann nur noch auf dem Sofa herum. Mithelfen im Haushalt und im Garten könne er so nicht mehr. Außerdem wäre er immer so durcheinander und stolpere die ganze Zeit. Ganz schleichend sei das alles gekommen. Selbst mit Rollator habe er nun Probleme beim Gehen. Man müsse doch die Schulter operieren können, um die Beschwerden zu beseitigen.
Der Patient selbst sitzt mit teilnahmsloser Miene vor mir. Als ich ihn befrage, antwortet er nur mit einem Schulterzucken. Es sei alles in bester Ordnung.
In der klinischen Untersuchung zeigt er eine deutliche Schwäche des linken Armes. Er ist gangunsicher und tippelt in kleinen Schritten vor sich hin. Ich veranlasse ein CCT.
Ernster Befund, hysterische Ehefrau
Der Patient hat eine ältere cerebrale Ischämie und ein chronisches Subduralhämatom. Das Röntgenbild der Schulter zeigt einen altersentsprechenden Befund. Ab in die Neurologie mit ihm.
Als ich der Ehefrau und dem Patienten die Befunde mitteile, reagiert der Patient gelassen, die Ehefrau hysterisch. Ich hätte mich doch um die Schulter kümmern sollen, erzürnt sie sich. So durcheinander sei ihr Ehemann schließlich nicht, dass man seinen Kopf untersuchen müsse. Und in die Neurologie gehe er nicht, da nehme sie ihn lieber wieder mit nach Hause. Dann fragt sie noch, ob ich ihr nicht zugehört hätte oder ob das alles im Stress der Notaufnahme durcheinander geraten wäre. Sie findet es unfassbar, dass sie mit einem gesunden Mann mit Schulterschmerzen gekommen ist und nun mit einem kranken Mann nach Hause gehen soll.
Ich schätze, sie braucht wohl auch erstmal ihre fünf Minuten, um gedankliche Klarheit zu schaffen.