Oder nochmal anders formuliert: Wir waren zu teuer. Deshalb wurden Sparmaßnahmen angekündigt. Jeder Bereich musste so-und-so-viel sparen, und so-und-so-viele Stellen abbauen.
Bei uns hat man das günstig lösen können. Einer meiner Assistenzarztkollegen hat nach nur einem halben Jahr gekündigt. Das kam nicht ganz so plötzlich. Er war sich bereits bei Stellenantritt in der Berufswahl nicht sicher, nachdem er zwei Jahre in einem großen Haus gearbeitet und dort wohl recht verheizt worden war. Er hatte gehofft, ihm würden die Arbeitsbedingungen im kleineren Spital besser gefallen, aber die Hoffnung hatte sich leider nicht bestätigt. So zog er die Konsequenzen.
Ein Viertel mehr Arbeit oder, wie ich es nenne: Chaos
Er wurde nicht ersetzt. Somit sind wir von vier auf drei Assistenzärzte geschrumpft. 25 % weniger Arbeitskraft. Und wer hätte es gedacht: Wir spüren das.
In jedem Operationssaal arbeitet jeweils ein Team aus zwei Personen, entweder zwei Anästhesiefachleute oder eine Anästhesiefachperson plus ein Assistenzarzt. Mit den Personalkürzungen, die ja nicht nur uns betreffen, können wir nun die überlappenden Wechsel nicht mehr immer anbieten.
Zuvor betreute jeweils einer den Patienten im Saal, der andere bereitete schon den nächsten vor. So konnten wir, sobald der Saal wieder frei war, gleich mit der nächsten Operation starten. Jetzt haben wir längere Wechselzeiten (schließlich muss ja irgendjemand wieder frei sein, damit er den nächsten Patienten betreuen kann), wodurch sich das Programm in die Länge zieht.
Wodurch wir Assistenten länger im Operationsbereich bleiben müssen und erst viel später dazukommen, die Patienten für den nächsten Tag anzuschauen. Um trotzdem noch rechtzeitig zum Nachmittagsrapport bereit zu sein, müssen wir gleich viele Gespräche in weniger Zeit führen, was für die Patienten unangenehm ist und für uns einfach nur stressig und unbefriedigend.
Nie war es einfacher, Fehler zu machen
Auch die Zeit im OP ist mühsamer. Wir wechseln häufig zwischen verschiedenen Sälen, sind nicht mehr so fix eingeteilt wie zuvor, weil einfach jeder dahin geht, wo gerade jemand gebraucht wird. Das erhöht das Fehlerpotential, weil man sich kurzfristig auf andere Patienten und Operationen umstellen muss und dabei Dinge übersehen kann, weil man schlechter vorbereitet ist.
Ach, und dann war ja noch der Sprechstundendienst: Eine von vier Wochen waren wir bisher ausschließlich „draußen“, führten die Sprechstunden, sahen die Notfälle und visitierten die Schmerzpatienten. Da wir aber morgens mehr Leute im OP brauchen, beginnt nun derjenige, der den Dienst hat, den Morgen im OP und betreut eine Narkose, bevor er den Sprechstundendienst antritt. Den Dienstsucher hütet solange der Dienstkaderarzt.
Niemand fühlt sich zuständig
Das klappt auch nicht, denn wer macht die Sprechstunden, während der Dienstarzt im OP ist? Irgendein Kaderarzt, der gerade Zeit hat. Auch hier bricht das völlige Chaos aus. Kaderärzte sind es nicht gewohnt, die Sprechstunden zu machen, wissen nicht, was sie mit den ausgefüllten Formularen machen müssen. Die verschwinden dann auf mysteriöse Weise, was erst am Tag vor der Operation auffällt. Dann ist aber der betreffende Kaderarzt nicht da, die arbeiten ja schließlich alle nur gefühlte 40 %, niemand kann Auskunft geben, niemand fühlt sich zuständig oder verantwortlich.
Unlust ist ansteckend
Wer badet das denn nun aus? Rhetorische Frage. Wir Assistenzärzte natürlich. Wir bekommen tausend „Wo sind die Formulare“-Telefonate. Wir dürfen uns dann darum kümmern, die Formulare suchen oder die Patienten um ein zweites Gespräch bitten.
Kurzum: So macht mir die Arbeit keinen Spaß. Das Problem: Allen anderen auch nicht, weil alle dieselben Probleme haben.
So breitet sich eine negative Grundstimmung im ganzen Haus aus. Es gibt mehr Streit, weniger Verständnis, der Ton wir rauer. Man hat keine Zeit, um Konflikte zu besprechen, und eigentlich auch keine Lust, weshalb sie schwelen und regelmäßig ausbrechen. Jeder macht nur noch das, was er unbedingt muss.
So fährt man ein Krankenhaus an die Wand.