„Hypnose ist in Schweizer Spitälern auf dem Vormarsch“ titelte Watson.ch im April und legte gleich noch einen drauf: „Wie mit Hypnose in Schweizer Spitälern die Prämienexplosion gestoppt werden soll“. In Frankreich, Belgien und den Niederlanden kommt Hypnose schon lange zum Einsatz und auch in Deutschland wird über Hypnose als mögliche Alterntive zur Narkose berichtet.
Was je nach Weltanschauung komplett lächerlich oder unglaublich innovativ daherkommt, ist also bereits seit Jahren im Gespräch. Was also ist von Hypnosen im OP zu halten?
Dank Hypnose soll der Patient entspannt genug sein, um die Operation anstatt in Vollnarkose auch in Teilnarkose oder örtlicher Betäubung durchzustehen. Daher eine erste Relativierung: Ganz ohne geht es nicht.
Eine Narkose besteht aus zwei Teilen
Eine Narkose besteht (ganz grob) aus zwei Teilen: Ausschaltung von Schmerz und Ausschaltung des Bewusstseins. Mit Hypnose würde man den Bewusstseinsteil aus der Narkose rausnehmen.
Wie die meisten wissen, braucht es eine Vollnarkose für viele Eingriffe gar nicht, eine Teilnarkose reicht häufig völlig aus. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Patient für die Dauer der Operation schön still liegen kann.
Auch bei uns im Team gibt es zwei Oberärztinnen, die aktuell eine entsprechende Ausbildung machen. Die beiden verstehen Hypnose allerdings auch nicht als Ersatz für eine Narkose, wie es im Artikel suggeriert wird, sondern als Ergänzung, die in vielen Bereichen eingesetzt werden kann. Hypnose kann folglich nicht nur während der Operation, sondern auch darum herum angewendet werden, zum Beispiel vor einer Vollnarkose, damit der Patient ruhiger einschläft oder beim Legen eines schwierigen Zugangs bei einem verängstigten Patienten.
Ist die OP das teure an einer OP?
Und wie soll nun die Prämienexplosion mithilfe der Hypnose gestoppt werden? Und wie soll das gehen? Es heißt, dass weniger Vollnarkosen die Kosten senken würden. Na, so viel scheint irgendwie klar: Ohne Narkose benötigt man weniger Equipment, man muss weniger Medikamente geben und braucht weniger Personal. Oder?
Tatsächlich muss für jede Operation mit Anästhesiebegleitung immer das volle Equipment vorhanden sein, denn nur so ist man für den Notfall vorbereitet. Man stelle sich vor, der Patient hätte beispielsweise einen Herzstillstand und der Anästhesist steht zwar daneben, kann aber nichts machen, weil er keine Beatmungsmaschine oder keine Medikamente dabei hat.
Außerdem: Was ist denn das Teure an einer Operation? Der Anästhesist, der für mindestens vier Narkosen gleichzeitig zuständig ist? Der Anästhesiepfleger, der Medikamente im Wert von 50 Franken (ca. 44 Euro) in den Patienten schüttet? Oder ist es vielleicht doch der Chirurg, seine zwei Assistenten, eine OP-Pflege am Tisch und noch ein weiterer Handlanger im Saal? Das Gerät für Klammernähte, bei dem allein ein Set schon 100 Franken kostet oder vielleicht doch die Prothese für 10.000 Franken?
Wenn Hypnose ausreicht, braucht man auch keinen OP
Und auch bei der Hypnose braucht man trotzdem einen einen Anästhesisten für die Teilnarkose. Für die örtliche Betäubung nicht, das ist klar. Aber will man denn wirklich das Risiko eingehen, dass während der Operation niemand dabei ist, der im Notfall handeln kann? Unsere Chirurgen beantworten sich diese Frage so: Wenn es ohne Anästhesist geht, brauche ich es nicht im OP-Saal durchzuführen. Also brauche ich auch die gesamte Infrastruktur nicht und führe den Kleineingriff in einem dafür eingerichteten Raum ausserhalb der OPs durch.
Übrigens, wo wir gerade beim Thema Zeit und Ressourcen sind: Die Krux an der Teilnarkose? Sie ist technisch und zeitlich deutlich aufwändiger als eine Vollnarkose. Da benötigt man auch Material, Medikamente, Menschen. Man braucht einen Anästhesisten plus eine Assistenz, allein geht es nicht – wie bei einer Vollnarkose. Man braucht Erfahrung, gutes Teaching. Es ist deutlich einfacher eine Vollnarkose (unter normalen Umständen) durchzuführen, als eine regionale Narkose zu stechen. Denn der Zeitbedarf ist schwieriger abzuschätzen, er variiert je nach anatomischen Gegebenheiten, Kooperation der Patienten, Erfahrung und Tagesform des Anästhesisten.
Ohne Mediziner geht es nicht
Außerdem kann man auch eine Hypnose nicht ohne Fachpersonal durchführen, also dafür ausgebildete Anästhesisten oder Anästhesiepfleger. Natürlich könnten auch medizinische Laien die Hypnose durchführen. Aber trotzdem muss man jemanden daneben stellen, der das Ganze überwacht, medizinische Probleme sofort erkennt und sie beheben kann.
Mein Artikel kratzt nur ganz oberflächlich an der Problematik und ich könnte noch viel mehr schreiben, aber für heute beschränke ich mich auf die angeführten Punkte. Wie so häufig gilt auch hier: Wenn die Lösung eines Problems so einfach erscheint, dann hat man die vermeintliche Lösung meistens nicht gründlich genug beleuchtet und/oder schlicht und einfach zu wenig Ahnung.