Sarkasmus versteht nicht jeder. War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung, die unter einem Lächeln versteckt wurde? Wie interpretiert das menschliche Gehirn diese Zweideutigkeit? Die neuronalen Mechanismen wurden anhand von verstörenden Filmensequenzen identifiziert.
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben in Zusammenarbeit mit der Universität Haifa in Israel herausgefunden, wie unser Gehirn Positives oder Negatives identifiziert. Dafür spielten sie den 27 Probanden im funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT) verschiedene anderthalb bis dreiminütige Filmsequenzen vor, die verwirrende Szenen beinhalten und emotional widersprüchlich sind. Eine besonders verstörende Szene gilt gleichzeitig als eine der berühmtesten von Regisseur Quentin Tarantino: Die Folterszene in dem Kultfilm „Reservoir Dogs“. Nach einem missglückten Banküberfall fesselt Mr. Blonde, gespielt von Michael Madsen, einen Polizisten an einen Stuhl und foltert ihn, in dem er ihm beispielsweise ein Ohr abschneidet. Dabei redet dieser betont freundlich auf sein Opfer ein und lächelt. Im Hintergrund läuft „Stuck in the Middle with you“ von Stealers Wheel. Im Anschluss dieser knapp dreiminütigen Sequenz sollten die Probanden Auskunft darüber geben, ob ein Konflikt erkannt wurde und ob die negativen oder positiven Elemente überwogen. Empfanden sie die Ausschnitt als angenehm oder unangenehm?
„Wir haben zwei Areale im Gehirn identifizieren können, die als eine Art Fernbedienung wirken. Sie bestimmen, wie wir eine Situation einschätzen, und welches der beiden Netzwerke an- oder ausgeschaltet wird“, erklärt Studienleiterin Christiane Rohr vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Demnach ist das eine Netzwerk aktiv, wenn wir eine Szene als erfreulich empfinden, das andere im umgekehrten Fall. Den Wechsel zwischen beiden Empfindungen übernehmen wiederum zwei Bereiche innerhalb dieser Netzwerke: Der sogenannte Sulcus temporalis superior (STS) im Schläfenlappen, der für die Interpretation positiver Ereignisse zuständig ist, und der sogenannte Lobus parietalis inferior (IPL) im Scheitellappen, der aktiv wird, wenn wir sie als negative empfinden. Beide Regionen treten in Aktion, wenn wir mit einer emotional schwierig einzuschätzenden Situation konfrontiert sind. Der sogenannte Sulcus temporalis superior (STS) im Schläfenlappen ist für die Interpretation positiver Ereignisse zuständig. Der sogenannte Lobus parietalis inferior (IPL) im Scheitellappen wird hingegen aktiv, wenn wir sie als negativ empfinden. © Christiane Rohr „Die beiden Regionen scheinen miteinander zu kommunizieren um so herauszufinden, welche von ihnen aktiviert oder inaktiviert wird“, so Hadas Okon-Singer von der Universität Haifa. „Sie legen so vermutlich fest, ob in einer unklaren Situation eher positive oder negative Elemente überwiegen und beeinflussen darüber wiederum andere Hirnbereiche.“ In der Regel gelingt es den meisten Menschen gut, diffizile Situationen entsprechend einzuordnen, einigen jedoch nicht. Für die Betroffenen kann das zu Depressionen, Angstzuständen oder dazu führen, soziale Interaktionen zu vermeiden. Die Neurowissenschaftler Rohr und Okon-Singer hoffen daher, dass ihre Erkenntnisse helfen, die neuronalen Abweichungen der Betroffenen zu identifizieren: „Letztlich wollen wir dazu beitragen, Therapien zu entwickeln, die ihnen helfen, schwierige Situationen adäquater einordnen zu können.“ Originalpublikation: The neural networks of subjectively evaluated emotional conflicts Christiane Rohr et al.; Human Brain Mapping, doi: 10.1002/hbm.23169; 2016