Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ein bis zu doppelt so hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Neue Studien zeigen nun, dass Antizytokin-Antikörper hier wirksam Abhilfe schaffen könnten, doch ihr Einsatz ist teuer – zu teuer?
Im Rahmen der von der European Society of Cardiology veranstalteten Tagung „Frontiers in CardioVascular Biology“ in Florenz sorgte eine Präsentation für besondere Aufmerksamkeit. Professor Aida Babaeva, Leiterin der Abteilung für Innere Medizin an der medizinischen Universität Wolgograd, Russland, stellte die Ergebnisse einer neuen Studie vor: Sie hatte den Einfluss einer Kombinationstherapie aus zwei Antizytokinen auf Krankheitsaktivität und kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Patienten mit rheumatoider Arthritis untersucht. Dazu erhielten 38 Patienten zusätzlich zur Standardtherapie mit DMARDs (disease modifying antirheumatic drugs) 3 Jahre lang eine Kombination aus dem niedrigdosierten TNFα-Inhibitor Arthrofoon und dem niedrigdosierten Interferon-γ-Inhibitor Anaferon, weitere 30 Patienten wurden mit Placebo + DMARD-Standardtherapie behandelt. Patienten, welche die Kombitherapie aus diesen zwei Antizytokin-Antikörpern erhielten, wiesen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutlich geringere Krankheitsaktivität (gemessen mittels DAS28-Score) auf. Zudem sanken die Plasmaspiegel für die Zytokine Interleukin-1, Interleukin-6 und TNFα deutlicher als in der Kontrollgruppe. Die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse (instabile Angina, schwere hypertensive Krise, Verschlechterung einer chronischen Herzinsuffizienz) war in der Kontrollgruppe fast dreimal so hoch (37 %) wie in der Antizytokin-Gruppe (13 %). Außerdem konnte bei hypertensiven Patienten unter Antizytokin-Kombinationstherapie der Ziel-Blutdruck in 71 % der Fälle erreicht werden, in der Kontrollgruppe gelang dies dagegen nur bei 32 % der Patienten. Den Grund für die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse sieht Prof. Babaeva in der Verringerung der Krankheitsaktivität. Rheumatoide Arthritis ist beispielsweise mit einer Dysfunktion des Gefäßendothels assoziiert, welche zu Lipidakkumulation in der Arterienwand, Plaquebildung und Atherosklerose führt. Außerdem sind Patienten mit hoher Krankheitsaktivität anfälliger für Blutgerinnselbildung und Thrombosen. Auf der anderen Seite zeigen diese Ergebnisse auch, dass inflammatorische Prozesse ein wesentlich wichtigerer Ansatzpunkt in der Primär- und Sekundärprävention des Myokardinfarkts sein könnten als bislang gedacht. Antizytokine für alle? Typisches Röntgenbild einer rheumatoiden Arthritis © Bernd Brägelmann, Dr. Martin Steinhoff Prof. Babaeva zufolge sind die Ergebnisse zwar vielversprechend, trotzdem ist die Therapie mit Antizytokinen nicht für alle Patienten mit rheumatoider Arthritis die beste Wahl. „Wir haben herausgefunden, dass eine Kombination aus zwei Antizytokinen, die sehr geringe Dosen an Antikörpern gegen TNFα und Interferon-γ enthält, die Wirksamkeit einer Standard-Therapie verbessern und das kardiovaskuläre Risiko verringern kann“, so Babaeva. „Bei Patienten mit einer sehr aktiven Erkrankung sind die Standard-Biologika aber besser darin, schwere Komplikationen wie progressive Gelenkzerstörung und/oder systemische Manifestationen (Vaskulitis, Uveitis, Beteiligung der inneren Organe) zu verhindern. Wir empfehlen daher diesen neuen Ansatz zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit moderater Erkrankungsaktivität, die keine Standard-Biologika erhalten und nicht an schweren Komplikationen leiden.“ Ein Tropfen auf den heißen Evidenz-Stein Wäre dies die einzige Studie zur Senkung des kardiovaskulären Risikos bei rheumatoider Arthritis mittels Antizytokin-Antikörpern, könnte die geringe Probandenanzahl und die Tatsache, dass die Studie von Materia Medica, dem russischen Hersteller der beiden Biologika, gesponsert wurde, den geneigten Leser skeptisch stimmen. Doch abgesehen von einer älteren britischen Studie veröffentlichte jüngst auch eine schwedische Forschungsgruppe um Dr. Lotta Ljung vom Karolinska-Institut in Stockholm, Schweden, ganz ähnliche Ergebnisse. In einer Studie an 6.864 Personen mit rheumatoider Arthritis konnten Ljung und ihre Kollegen zeigen, dass bei Patienten, die gut auf eine Therapie mit einem TNFα-Inhibitor wie Infliximab, Etanercept oder Adalimumab ansprechen (beurteilt mittels EULAR-Response-Kriterien), das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom nach einem Behandlungsjahr auf das Niveau der Normalbevölkerung sank. Patienten, deren Krankheitsaktivität sich durch die Therapie nicht oder nur wenig verringerte wiesen dagegen ein doppelt so hohes ACS-Risiko auf wie die Normalbevölkerung. Dies zeigt einerseits, wie wichtig eine optimale Kontrolle des Krankheitsverlaufs durch eine wirksame Therapie ist. Andererseits machen die Ergebnisse aber auch deutlich, dass TNFα-Inhibitoren nicht bei allen Patienten wie gewünscht wirken. Biologicals: Wo Licht ist, ist auch Schatten Den Leitlinien-Empfehlungen zur medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis zufolge gilt die Monotherapie mit dem klassischen DMARD Methotrexat als Behandlung der ersten Wahl. Ist dies nicht möglich, kann die Therapie beispielsweise mit Leflunomid oder Sulfasalazin gestartet werden. Kann trotz optimierter Monotherapie nach 3 bis 6 Monaten keine ausreichende Krankheitskontrolle erreicht werden, sollte eine Kombination mehrerer DMARDs eingesetzt werden – die Kombination eines DMARDs mit einem Biological kann erwogen werden, wenn eine hohe Krankheitsaktivität, insbesondere in Verbindung mit ungünstigen Prognosefaktoren, vorliegt. Grundsätzlich werden Biologicals nur bei unzureichendem Ansprechen auf zwei klassische DMARDs nach einem Therapieversuch von mindestens 6 Monaten empfohlen. Dabei sind Biologicals mindestens ebenso wirksam wie klassische DMARDs, und zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine Kombinationstherapie aus Biopharmazeutikum und Methotrexat besser wirksam und oft auch besser verträglich ist als die Monotherapie mit Methotrexat. Problematisch am Einsatz von Biologicals ist u.a. ihr hoher Preis: Die Kosten für den am häufigsten eingesetzten TNFα-Inhibitor Adalimumab belaufen sich pro Jahr auf knapp 20.000 Euro. Im internationalen Preisvergleich steht Deutschland damit an der Spitze. In Italien, Frankreich oder der Schweiz beispielsweise sind TNFα-Inhibitoren deutlich günstiger zu haben. Gesellschaftlich gesehen stehen den hohen direkten Kosten aber auch Einsparungen bei indirekten Kosten gegenüber, beispielsweise aufgrund von weniger Krankenhausaufenthalten und geringeren Produktivitätsverlusten infolge von Krankschreibungen und dauerhafter Invalidität. Bei all den zu berücksichtigen Faktoren ist es kein Wunder, dass weiterhin um die Kosteneffizienz dieser Therapieform gestritten wird. Doch nicht nur die hohen Kosten sind ein Problem. Auch das Nebenwirkungsprofil der Biologicals muss bei der Therapieentscheidung berücksichtigt werden. Im Vergleich zu Methotrexat treten beispielsweise bei TNFα-Inhibitoren unerwünschte Reaktionen an der Injektions- und Infusionsstelle häufiger auf. Hinsichtlich schwerer Nebenwirkungen und dem Auftreten von Infektionen scheint es einer Meta-Analyse zufolge aber keine signifikanten Unterschiede zwischen TNFα-Inhibitoren und Methotrexat zu geben. Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse III/IV) sind TNFα-Inhibitoren kontraindiziert, ebenso bei Patienten, die an Tuberkulose oder einer anderen schweren Infektion wie Sepsis oder opportunistischen Infektionen leiden.