Kaum verständliche Rechnungen oder intransparente Rabatte: Apotheker sind ihren Grossisten nicht nur in Freundschaft verbunden. AEP wollte diesen Markt gehörig aufmischen, scheiterte aber vor dem Oberlandesgericht Bamberg. Spielen Interessen von Konkurrenten eine Rolle?
Ohne den pharmazeutischen Großhandel wäre keine rasche Versorgung mit Pharmaka möglich. Intransparente Konditionen und Kämpfe um einzelne Apotheken haben dem Image vieler Grossisten jedoch stark zugesetzt. Auch die Regierung hat mit ihrem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) Daumenschrauben weiter zugezogen. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Geschäftsmodelle an ihre Grenzen stoßen.
Die Marge ist von 12,5 Prozent (2003) auf weniger als fünf Prozent (2016) gefallen. Als Marge definieren Grossisten die Differenz zwischen dem Großhandelseinkaufspreis (ApU) und -verkaufspreis (AEP), bezogen auf den Umsatz. „Die ursprüngliche Annahme des Gesetzgebers, dass durch eine Stärkung des Generikamarktes die Anzahl abzugebender Packungen zunehme, was mit einem Preisverfall einhergehen sollte, hat sich nicht bewahrheitet“, schreibt der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO) . Hochpreiser gewannen zeitgleich an Bedeutung. Im Segment von 1.200 bis 4.000 Euro stieg der Umsatz um 25 Prozent und der Absatz um 19 Prozent. Bei Präparaten über 4.000 Euro waren es sogar plus 36 Prozent beim Umsatz und plus 16 Prozent beim Absatz. Zum Vergrößern bitte die Grafik anklicken. Quelle: PHAGRO
AEP-Geschäftsführer Jens Graefe. Foto: AEP Bei Rx-Präparaten, deren Anteil laut PHAGRO bei 82 Prozent des Umsatzes liegt, sehen Wettbewerbshüter extrem genau auf Geschäftsmodelle. AEP versucht seit 2013, sich als David gegen die Goliaths der Branche zu behaupten. Zu den Strategien gehört ein transparentes, gleichermaßen umstrittenes Rabattmodell. Ordern Apotheker Rx-Präparate für unter 70 Euro, erhalten sie 3,0 Prozent Rabatt plus 2,5 Prozent Skonto. Das macht in Summe fast 5,5 Prozent. Bei Bestellungen über 70 Euro sind es noch 2,0 Prozent Rabatt und 2,5 Prozent Skonto, sprich knapp 4,5 Prozent. Juristen der Wettbewerbszentrale störten sich am Modell. Sie verweisen auf Paragraph 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV): „Bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 Prozent, höchstens jedoch 37,80 Euro, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden.“ AEP und die Wettbewerbszentrale ziehen jetzt mit Leidenschaft quer durch alle Instanzen. Sie wollen klären, ob arzneimittelrechtlich definierte Grenze relevant sind.
Alles begann am Landgericht Aschaffenburg. Justitias Vertreter sahen bei AEP keinen Verstoß gegen geltendes Recht und wiesen die Klage auf Unterlassung ab. Zur Begründung hieß es, dass ein Skonto keinesfalls mit einem Rabatt gleichzusetzen sei. Vielmehr handele es sich um die „Belohnung für ein verkürztes Zahlungsziel“ (Az. 1 HK O 24/15). Wettbewerbshüter gaben sich damit nicht zufrieden. Sie legten Berufung vor dem Oberlandesgericht Bamberg ein (Az. 3 U 216/15) und hatten jetzt Erfolg. Richter stellten in zweiter Instanz klar, AEP dürfe keine Rabatte geben, die über den Zuschlag von 3,15 Prozent hinausgingen. Auch der Festzuschlag stehe nicht zur Disposition. Der vorsitzende Richter versuchte herauszufinden, welche Ziele der Gesetzgeber mit seiner AMPreisV eigentlich verfolgt. In der schon etwas betagten Bundestagsdrucksache 17/2413 schlugen Regierungsvertreter vor, den Großhandelszuschlag künftig über einen prozentualen und einen fixen Anteil abzubilden. Er argumentierte, es sei Wille des Gesetzgebers, Grossisten „zur Sicherung einer angemessenen und flächendeckenden Versorgung der Apotheken einen als Festbetrag ausgestalteten Betrag zur Verfügung zu stellen“. Im Fixum sieht er einen Weg, gegen die Attraktivität von Hochpreisern vorzugehen. „Preisunabhängige Bestandteile sind nicht rabattfähig“, leitete er daraus ab. Ansonsten sei ein „Missbrauch via Skonti“ zu befürchten, um „de facto einen Preiskampf zu eröffnen, den der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte“. AEP-Geschäftsführer Jens Graefe hatte bei der mündlichen Verhandlung zwischen „echten und unechten Skonti“ unterschieden. Er wies auf ökonomische Vorteile durch kurze Zahlungsfristen hin – dies werde an Kunden weitergegeben. Nach dem Urteil kündigte er den Gang nach Karlsruhe an. Das Oberlandesgericht hat eine Revision beim Bundesgerichtshof zugelassen.
Jenseits juristischer Spitzfindigkeiten bleibt eine Frage ungeklärt: War die Klage der Wettbewerbszentrale tatsächlich - wie AEP spekuliert - rechtsmissbräuchlich? Das Oberlandesgericht Bamberg fand keine Anhaltspunkte. Trotzdem lohnt es sich, etwas tiefer zu bohren. Das Online-Mitgliederverzeichnis nennt zahlreiche Konkurrenten von AEP, unter anderem die Alliance Healthcare Deutschland AG, die Sanacorp Pharmahandel GmbH und die NOWEDA ApothekenMarketing GmbH als bundesweit aktive Grossisten. Auch der PHAGRO ist an Bord – ein früherer Kritiker von Jens Graefe. PHAGRO-Chef Dr. Thomas Trümper zufolge hätten sich Apotheker, die Angebote von AEP annehmen würden, laut Antikorruptionsgesetz strafbar gemacht oder würden sich strafbar machen. Beide Seiten verständigten sich jedoch auf einem Vergleich. Ob die Wettbewerbszentrale immer neutral handelt, ist umstritten, wie ein Blick auf andere Branchen zeigt. Unternehmen mit dem Schwerpunkt erneuerbare Energien wurden vergleichsweise häufig mit Abmahnungen überzogen. Lag es tatsächlich an unlauteren Geschäftspraktiken – oder am Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW)? Als Mitglied vertritt der BDEW schwerpunktmäßig konventionelle Energieerzeuger. Fragezeichen bleiben auch nach dem Urteil aus Bamberg.