Eine Synkope ist oft harmlos – kann aber auch auf eine schwerwiegende Erkrankung hinweisen. Ein neues Screening-Instrument mit 9 Kriterien soll helfen, gefährliche Erkrankungen zu erkennen und Patienten mit harmloser Ohnmacht zügig aus der Notaufnahme zu entlassen.
Irgendwann im Lauf seines Lebens einmal „umzukippen“, ist nichts Ungewöhnliches: Zwischen 35 und 40 Prozent der Menschen erleben mindestens einmal im Leben eine Synkope. Auch Ärzte in der Notaufnahme werden häufig mit Ohnmachtpatienten konfrontiert: Dort machen sie ein bis drei Prozent der Aufnahmen aus. Von einer Synkope spricht man, wenn es durch eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns zu einem zeitweisen Verlust des Bewusstseins kommt. Der Betroffene erholt sich anschließend von selbst wieder vollständig. In vielen Fällen ist der kurzzeitige Bewusstseinsverlust harmlos. Doch bei manchen Betroffenen steckt auch eine schwerwiegende, möglicherweise lebensbedrohliche Erkrankung dahinter. So ist eine Synkope bei etwa 10 Prozent der Patienten, die deswegen in die Notaufnahme kommen, ein Symptom für eine schwerwiegende Erkrankung – zum Beispiel eine gefährliche Form der Herzrhythmusstörung. Und bei etwa 7 bis 23 Prozent kommt es in den ersten sieben bis dreißig Tagen nach einer Synkope zu einem schwerwiegenden gesundheitlichen Vorfall.
Nun hat ein kanadisches Forscherteam vom Ottawa Hospital und der University of Ottawa ein Screening-Instrument entwickelt, das dazu beitragen könnte, das Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Ereignisse in den ersten 30 Tagen nach Entlassung aus der Notaufnahme vorherzusagen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Canadian Medical Association Journal“. Venkatesh Thiruganasambandamoorthy © The Ottawa Hospital „Wie Patienten mit einer Ohnmacht in der Notaufnahme untersucht werden, unterscheidet sich je nach Institution und Land deutlich“, erläutert Studienleiter Venkatesh Thiruganasambandamoorthy. So hat eine Studie seines Forscherteams kürzlich ergeben, dass Ärzte in verschiedenen medizinischen Zentren sehr unterschiedlich mit Patienten umgehen. Auch die Zahl schwerwiegender gesundheitlicher Probleme im darauffolgenden Monat unterschied sich deutlich zwischen den Zentren. „Wir hoffen, dass das neue Screening-Instrument das ärztliche Vorgehen vereinheitlichen und die Entdeckung schwerwiegender Grunderkrankungen, die hinter einer Ohnmacht stecken können, verbessern kann.“ Ein solches relativ einfaches Untersuchungsverfahren könnte dazu beitragen, Risikopatienten besser zu betreuen und diejenigen, bei denen die Synkope harmlos war, schneller aus der Notaufnahme zu entlassen.
Die Forscher um Thiruganasambandamoorthy schlossen 4.030 Patienten ab einem Alter von 16 Jahren in ihre Studie ein, die zwischen September 2010 und Februar 2014 wegen einer Synkope in eine von sechs großen Notfallambulanzen in Kanada aufgenommen wurden. Damit handelt es sich um die bisher größte Studie in diesem Bereich. Die Studienteilnehmer waren zu 44,5 Prozent männlich und zu 55,5 Prozent weiblich, ihr durchschnittliches Alter lag bei 53,6 Jahren. 9,5 Prozent der Patienten wurden nach ihrer Aufnahme im Krankenhaus weiter behandelt. Insgesamt erlebten 3,6 Prozent der Teilnehmer in den ersten 30 Tagen nach Entlassung einen schwerwiegenden gesundheitlichen Vorfall. Darunter verstanden die Forscher Herzinfarkte, schwerwiegende Herzrhythmusstörungen, strukturelle Erkrankungen des Herzens, Lungenembolien, schwere Blutungen und Todesfälle.
Mithilfe der erhobenen Daten identifizierten Thiruganasambandamoorthy und sein Team neun Faktoren, die sich am besten zur Vorhersage schwerwiegender gesundheitlicher Ereignisse eigneten. Diese fassten die Forscher im so genannten „Canadian Syncope Risk Score“ zusammen. Jeder der neun Faktoren wird darin mit einem Punktwert gewichtet und die Punkte anschließend zu einem Gesamtwert zusammengezählt. Die neun Faktoren umfassten:
Insgesamt kann so ein Gesamtwert von -3 bis 11 erreicht werden. Bei der Auswertung zeigt ein Wert von -2 oder niedriger ein sehr geringes Risiko für ein schwerwiegendes gesundheitliches Ereignis an, ein Wert von -1 bis 3 deutet auf ein geringes bis mittleres Risiko hin, ein Wert von 4 oder mehr auf ein hohes bis sehr hohes Risiko.
Bereits eine Reihe früherer Studien hat versucht, Screening-Instrumente zu entwickeln, die das gesundheitliche Risiko nach einer Synkope abschätzen können – so zum Beispiel die „ROSE-Regel“ („Risk Stratification of Syncope in the Emergency Department Rule“) oder die „STePS“-Studie („Short- and Long-Term Prognosis of Syncope“). Diese hatten jedoch verschiedene methodische Mängel und eine geringe diagnostische Vorhersagekraft. Daher gibt es bis jetzt kein Screening-Tool, das für einen weitreichenden Einsatz in der klinischen Praxis geeignet wäre. Ob das neue Screening-Instrument wirklich zuverlässig zwischen Pateinten mit hohem und geringem gesundheitlichen Risiko unterscheiden kann, muss nun noch in weiteren Untersuchungen belegt werden. Im Moment sind Thiruganasambandamoorthy und sein Team dabei, die Vorhersagekraft des „Canadian Syncope Risk Score“ in verschiedenen Notaufnahmen in ganz Kanada zu überprüfen und zu validieren. Falls sich das Instrument als aussagekräftig erweist, könnte es in Zukunft auch online und als App zur Verfügung stehen und Ärzten ihre Entscheidungen beim Umgang mit Synkope-Patienten erleichtern. „Viele der Patienten, die wegen einer Ohnmacht ins Krankenhaus kommen, müssten gar nicht dort sein“, sagt Thiruganasambandamoorthy. Diese Patienten verbringen oft zwischen vier und sieben Stunden in der Notaufnahme, bevor die Entscheidung getroffen wird, sie zu entlassen. „Wenn es gelingt, Patienten mit geringem gesundheitlichem Risiko mithilfe unseres Screening-Instruments schnell und sicher zu erkennen, könnten sie schneller aus der ärztlichen Obhut entlassen werden“, so der Forscher. „Dadurch könnten die Wartezeiten in der Notaufnahme verringert und die freien Ressourcen anderen Patienten zur Verfügung gestellt werden.“