Die Grippesaison ist endlich überstanden, damit auch die Folgen? Genau dazu hat Kwong et al. jetzt eine Studie im NEJM veröffentlicht, welche einen möglichen Zusammenhang zwischen laborbestätigten Influenzainfektionen und akuten Myokardinfarkten (aMI) feststellt. Kommt nun also auch noch ein erhöhtes Herzinfarktrisiko auf die Patienten zu?
Heute schreibt für uns: Felix Nieberle
Was war gleich nochmal ein „Herzinfarkt“?
Das im Volksmund als Herzinfarkt geführte Krankheitsbild ist eigentlich, medizinisch korrekt ausgedrückt, ein akutes Koronarsyndrom. Hierzu zählen neben dem plötzlichen Herztod einerseits die instabile Angina pectoris, andererseits der Nicht-ST-Hebungsinfarkt(NSTEMI) und der ST-Hebungsinfarkt(STEMI). Ein akut einsetzender Thoraxschmerz, der meist in den linken Arm ausstrahlt, ist hier das Leitsymptom. Die Klinik kann sich allerdings sehr vielseitig darstellen.
Der Auslöser dieses Krankheitsbildes ist in der akuten Stenosierung (>90%) bzw. dem kompletten Verschluss eines oder mehrerer Koronargefäße zu finden, was dann eine Minderdurchblutung und auf längere Zeit das „Absterben“ nachfolgender Strukturen zur Folge hat. Dieser Verschluss ist meist bedingt durch ein thrombo-embolisches Ereignis, was grob vereinfacht soviel heißt wie: An einer bestimmten Stelle in der Blutbahn kommt es zur Loslösung eines Thrombus, welcher dann in ein Koronargefäß geschwemmt wird und dort aufgrund des immer jünger werdenden Gefäßdurchmessers zur Verstopfung führt. Der Thrombus wird somit zum Embolus.
Ein weiterer Auslöser kann sein, dass es bereits im Koronargefäß selbst zu einer Schwachstelle gekommen ist, beispielsweise durch Arteriosklerose, und sich so Plaques in der Gefäßwand gebildet haben. Diese Plaques können einreißen und die endogene Gerinnung aktivieren. Die natürliche Antwort des Körpers ist nun, die im Blut zirkulierenden und am Plaque vorbeischwimmenden Thrombozyten zu aktivieren. Diese aggregieren miteinander und bilden einen immer größer werdenden Thrombus, der letzten Endes auch zum Embolus wird und so den Verschluss des Gefäßes verursacht.
Und wie hängt das jetzt mit der Influenzainfektion zusammen?
Bereits seit Jahren wird eine Assoziation des akuten Myokardinfarkts mit einer Grippeinfektion postuliert, indem man sich die Zeitfenster beider Ereignisse angesehen hat. Zudem haben mehrere experimentelle und klinische Studien in der Vergangenheit auf ein erhöhtes Risiko einer Plaqueruptur durch akute Infektionen hingewiesen. So haben Kwong et al. eine Fall-Kontroll-Studie an 364 Myokardinfarktpatienten durchgeführt, um diesen Sachverhalt näher zu untersuchen.
Studiendesign
Die Autoren legten in ihrer Studie ein „Risikointervall“, sprich die ersten sieben Tage nach Entnahme einer Probe aus dem Respirationstrakt und ein „Kontrollintervall“ fest, welches den Zeitraum von einem Jahr vor und nach dem Risikointervall umfasst.
Hierbei wurde beobachtet, dass es im Mittel zu 20,0 Hospitalisierungen (V.a. aMI) pro Woche im Risikointervall und 3,3 Hospitalisierungen im Kontrollintervall kam, was einem standardisierten Inzidenzverhältnis (SIR) von 6,05 entspricht. Das heißt übersetzt, dass bei Influenzainfektion 6,05-mal mehr aMIs auftraten, als dies in der Gesamtbevölkerung ohne vorangegangene Infektion zu erwarten gewesen wäre. Interessanterweise konnte auch gezeigt werden, dass alternative Infektionen des Atemtraktes, wie beispielsweise durch RSV oder andere nicht-Influenza Viren mit einer signifikant höheren Inzidenz von aMIs assoziiert waren, allerdings mit einem geringeren SRI, als dies bei einer Influenzavirus-Infektion der Fall ist.
Zudem konnte festgestellt werden, dass das größte Risiko einen aMI nach Influenzainfektion zu erleiden, bei älteren Erwachsenen (≥65 Jahre) und bei Patienten, die zuvor noch keinen aMI hatten, zu finden ist. So wird vielleicht die Grippe-Impfempfehlung für Menschen älter als 65 Jahre nochmal ein Stück attraktiver?
Heißt das nun, ich kann mich durch Grippeimpfung auch vor einem Herzinfarkt schützen?
Bezüglich einer protektiven Wirkung im Hinblick auf den aMI war leider trotz eines positiven Influenza-Impfstatus immer noch eine erhöhte Inzidenz von Myokardinfarkten in der analysierten Kohorte verzeichnet worden.
Deshalb weisen die Autoren aber explizit nochmals in ihrer Veröffentlichung darauf hin, dass diese Studie nicht dafür angelegt wurde, die Effektivität einer Influenza-Impfung zu evaluieren. Die vorliegenden Ergebnisse sollten deshalb auch nicht zur Interpretation einer fehlenden Effektivität dieser Impfungen verwendet werden. Eine rein logische Schlussfolgerung wäre jedoch, dass man durch eine Impfung gegen eine Influenzainfektion konsekutiv auch das Risiko senkt, einen aMI zu erleiden, indem man ein Risiko-Ereignis eliminiert.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich aus dieser Studie nun ableiten, dass es tatsächlich einen klaren Zusammenhang zwischen akutem Myokardinfarkt und akuter Infektion des Atemtrakts gibt.
Allerdings besteht meiner Meinung nach weiterer Forschungsbedarf, was dieses Thema angeht. Zumindest bezogen auf mögliche Auswirkungen einer Impfung oder ob auch das Risiko andere Erkrankungen steigt. Durch eine Plaqueruptur kann schließlich auch ein Apoplex oder eine Lungenembolie die Folge sein.
Quelle:
Kwong et al.: Acute Myocardial Infarction after Laboratory-Confirmed Influenza Infection. In: New England Journal of Medicine. Band 378, Nummer 4, 2018, doi: 10.1056/nejmoa1702090, S. 345–353http://flexikon.doccheck.com/de/New_England_Journal_of_Medicine