Wer raucht und außerdem häufig Kontakt zu Lösungsmitteln hat, weist ein erhöhtes Risiko auf, an Multipler Sklerose zu erkranken. Laut einer aktuellen Studie ist das MS-Risiko um das Dreißigfache erhöht, wenn zusätzlich eine genetische Disposition vorliegt.
Multiple Sklerose ist die häufigste Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Die Ursache der Autoimmunerkrankung, die sich häufig im frühen Erwachsenenalter manifestiert, konnte bisher noch nicht gefunden werden. Jedoch kennt man heute verschiedene disponierende Faktoren, die das Risiko an MS zu erkranken erhöhen.
Schon seit längerem ist bekannt, dass diesbezüglich besonders genetische Komponenten beachtenswert sind. Das genetische Merkmal HLA-DRB1*15, das innerhalb des menschlichen Leukozyten-Antigens, des sogenannten HLA-Komplexes, lokalisiert ist, erhöht bei Trägern das Risiko an Multipler Sklerose zu erkranken. Ein alleiniges Vorliegen dieses Merkmals löst jedoch noch direkt eine Erkrankung aus. Neben diesem Erbfaktor können auch verschiedene Umweltfaktoren disponierend für das Auftreten von Multipler Sklerose sein. So ist aus früheren Studien bereits hervorgegangen, dass ein Vitamin-D-Mangel, ebenso wie eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus ein erhöhtes MS-Risiko mit sich bringen kann.
Forscher des Karolinska-Institutes in Schweden konnten nun im Rahmen einer neuen Studie weitere Faktoren finden, die eine Multiple Sklerose-Erkrankung begünstigen. Bereits in einer früheren Analyse konnte die schwedische Wissenschaftlerin Anna Karin Hedström zeigen, dass Rauchen besonders bei Personen mit einer genetischen Disposition das MS-Risiko noch einmal deutlich erhöht. So zeigten Menschen die regelmäßig rauchten und zusätzlich das Merkmal HLA-DRB1*15 trugen, ein 4,5-fach erhöhtes Risiko an MS zu erkranken.
Die neueste Studie der Schwedin brachte zudem einen weiteren Risikofaktor ans Licht: Zusätzlich zum Rauchen kann offenbar auch Lösungsmittel-Exposition das MS-Risiko steigern. Lösungsmittel kommen beispielsweise in vielen Lacken und einigen Farben vor. Im Rahmen der vorliegenden Fall-Kontroll-Studie wurden 2.042 Personen ausgewählt, bei denen vor kurzem Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Zudem gab es eine Kontrollgruppe mit 2.947 Personen, die in Bezug auf Alter und Geschlecht der ersten Gruppe entsprachen.
Die Studienteilnehmer wurden alle bezüglich ihres Rauchverhaltens und des Kontaktes zu Lösungsmitteln befragt. Außerdem stellte jeder den Forschern jeweils eine Blutprobe zur Verfügung. Diese wurde anschließend auf das Vorliegen von zwei genetischen Leukozyten-Antigen-Varianten überprüft. Eine der beiden Varianten stellte das Merkmal HLA-DRB1*15 dar, welches das MS-Risiko erhöht. Die zweite Variante war das Vorhandensein des HLA-A- Allels, welches das Risiko einer Erkrankung senkt.
Die Auswertung der Ergebnisse zeigte deutlich: Studienteilnehmer, die eine genetische Disposition aufwiesen, rauchten und in ihrem Alltag verstärkt Kontakt zu Lösungsmitteln hatten, zeigten ein stark erhöhtes Risiko für eine MS- Erkrankung. So konnte im Rahmen der Studie bei diesen Personen ein dreißigfach höheres Risiko im Vergleich zu Personen ohne Dispositionsfaktor festgestellt werden. Auch in der Teilnehmergruppe von Nichtrauchern, die das HLA-DRB1*15- Merkmal aufwiesen und Kontakt zu Lösungsmitteln hatten, wiesen 34 eine MS-Erkrankung auf, während nur 19 Personen gesund waren.
Obwohl die vorliegende Studie mit einer großen Teilnehmerzahl aufwarten kann, ist deren Output teilweise problematisch. Da der Kontakt zu Lösungsmitteln lediglich in Form einer Befragung untersucht wurde, ist es möglich, dass die subjektiven Einschätzungen der beteiligten Personen das Ergebnis der Studie verfälschen. Ungeklärt bleibt auch, warum Rauchen und Lösungsmittel offenbar eine treibende Kraft für eine MS-Erkrankung darstellen. Zwar vermuten die Forscher, dass es sich um eine fehlgeleitete Immunreaktion handeln könnte, die durch die durch Rauchen und Lösungsmittel bedingte Lungenschädigung ausgelöst wurde. Belegen können sie dies aber bisher nocht nicht.
Weitere Studien müssen nun Aufschluss darüber geben, ob die hier vorliegende Assoziation von Rauchen bzw. einer Lösungsmitteln-Exposition und einer MS-Erkrankung bestätigt werden kann. Dennoch stellt die Studie einen Fortschritt für die Multiple-Sklerose-Forschung dar. Personen, die wissen, dass sie eine genetische Disposition für MS aufweisen, könnten sich nun, aufgrund dieses neuen Wissens, bewusst von Lösungsmitteln und Zigarettenkonsum fernhalten – vorausgesetzt natürlich, man lässt sich überhaupt auf die besagten Merkmale testen.