Versorgungsforscher der Barmer GEK haben neue Einsparpotenziale entdeckt. Mit Biosimilars lassen sich mittelfristig fünf Milliarden Euro sparen. Trotzdem landen Originalprärate immer noch auf so manchem Kassenrezept.
Auf der Suche nach zusätzlichen Ressourcen sind Wissenschaftler der Barmer GEK jetzt fündig geworden. Überraschung: Dieses Mal geht es nicht um Hochpreiser zur Therapie von Hepatitis-Infektionen. Im aktuellen Arzneimittelreport berichten sie, Biopharmazeutika verursachten 21 Prozent aller Arzneimittelkosten.
Dazu einige Details. Zwischen 2010 und 2015 hat sich der Anteil aller Versicherten mit Biologial-Therapie im ambulanten Sektor von 3,1 auf vier Prozent erhöht. Im gleichen Atemzug sind die Kosten um 40,8 Prozent auf nunmehr 1,2 Milliarden Euro angewachsen. Das entspricht 21,3 Prozent aller Arzneimittelausgaben der Barmer GEK. Mit 127,7 Millionen Euro liegt der Antikörper Adalilumab (Humira®) auf Platz eins, gefolgt vom den synthetischen Molekülen Sofosbuvir/Ledipasvir (Harvoni®; 95,3 Millionen Euro), vom Antikörper Bevacizumab (Avastin®; 85 Millionen Euro) und von weiteren Biopharmazeutika.
Genau hier setzt die Barmer GEK an. Einige der umsatzstärksten biotechnologisch hergestellten Originalpräparate haben bereits ihren Patentschutz verloren beziehungsweise werden diesen in Kürze verlieren. „Es entsteht über die Biosimilars eine Wettbewerbssituation, in der die behandelnden Ärzte zwischen zwei oder mehreren therapeutisch gleichwertigen, aber unterschiedlich teuren Alternativen wählen können“, so Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender bei der Barmer GEK. Schätzungen zufolge lassen sich durch Biosimilars bei allen GKVen über fünf Jahre hinweg mehr als vier Milliarden Euro einsparen. Die Präparate sind etwa 25 Prozent günstiger als Originale. Gleichzeitig sinken die Kosten für ehemals patentgeschützte Biopharmazeutika. „Vier Jahre nach Markteintritt von Erythropoetin-Biosimilars war das Referenzarzneimittel 60 Prozent preiswerter als vor Verfügbarkeit eines Biosimilars“, rechnet Professor Dr. Daniel Grandt, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I des Klinikums Saarbrücken und Autor des Arzneimittelreports, vor. „Biosimilars beenden das Angebots-Monopol biotechnologisch hergestellter Originalarzneimittel und führen schrittweise und nachhaltig zu einer Kostenreduktion bei gleicher Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit.“ Quelle: Barmer GEK Arzneimittelreport 2016 Durch den konsequenten Einsatz könnten in GKVen Mittel für andere innovative Medikamente frei werden, hofft Straub. Dabei hat er Rückendeckung von oberster Ebene. Als Ergebnis des Pharmadialogs will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Biosimilars über Zielvorgaben schneller in den Markt bringen. In den Präparaten sieht der Bundesgesundheitsminister „eine starke Möglichkeit, state of the art zu versorgen und Kosten zu dämpfen“ – wären da nicht renitente Ärzte. Sie spielen nicht immer so mit, wie es Kassen gerne hätten.
Ob Patienten im Berichtszeitraum Biosimilars erhielten oder nicht, war größtenteils von ihrem Wohnort abhängig, jedoch nicht von der Grunderkrankung. Bremens Ärzte verordneten in 54,2 Prozent der Fälle Nachahmerpräparate, dicht gefolgt von Nordrhein (53,2 Prozent) beziehungsweise Sachsen-Anhalt (52,9 Prozent). Am Ende der Skala lagen Baden-Württemberg (29,5 Prozent) und Saarland (27,4 Prozent). Medizinisch lassen sich die Unterschiede nicht erklären. „Dass in manchen Regionen ohne Not und ohne zusätzlichen Nutzen Geld ausgegeben wird, ist nicht mit Hinweis auf regionale Gewohnheiten abzutun“, erklärt Daniel Grandt. Vielmehr könnte es „an der Informationspolitik der Pharmahersteller liegen, die schwindende Umsätze bei ihren teureren Originalpräparaten befürchten“. Von den kassenärztlichen Vereinigungen fordert er jetzt, Mediziner besser zu informieren.
Laut Dr. Andreas Eberhorn, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars, käme den Kassenärztlichen Vereinigungen hier eine zentrale Rolle zu. „Gute und wissenschaftlich abgesicherte Information und umfassende Beratung stehen dabei im Vordergrund. Deswegen engagieren wir uns dafür, dass wir diese ‚best practices‘ im Rahmen der bevorstehenden Gesetzgebung bundesweit ausrollen“, sagt Eberhorn mit Hinweis auf den Pharmadialog. Er sieht große Chancen für das Gesundheitssystem: Patienten könnten „bei gleicher Wirksamkeit und gleicher Qualität spürbar kostengünstiger versorgt werden“. Ganz so einfach ist die Sache aus Sicht des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) jedoch nicht. So gebe es „bei Biopharmazeutika aus verschiedener Herstellung kleine Unterschiede in der molekularen Zusammensetzung des Wirkstoffs“, bei Applikationshilfen oder bei Hilfsstoffen. „Daher muss ein Präparatewechsel bei gut eingestellten Patientinnen und Patienten sorgfältig überlegt sein und allein in der Verantwortung des Arztes liegen“, schreibt der Verband in einer Mitteilung. „Biosimilar-Quoten oder regionale Zielvereinbarungen für deren Verordnung sind überflüssig, denn Biosimilars sind längst in den ärztlichen Verordnungen etabliert und haben bereits heute hohe Verordnungsanteile.“ Jetzt bleibt nur, auf Signale aus Berlin zu warten.