Die derzeitige Fassung der GOÄ ist rund 30 Jahre alt. Sie krankt an vielen Stellen: die Arztleistung wird zu niedrig bewertet, und viele Leistungen moderner Medizin werden überhaupt nicht abgebildet. Eine Rundum-Erneuerung tut dringend Not, scheiterte in der Vergangenheit aber oft politisch. Jetzt gibt es neue Hoffnung für die Ärzteschaft.
Seit 2016 wird eine neue GOÄ vorbereitet, die sämtliche Ärztegruppen, Verbände und Fachgesellschaften einbindet. Wie weit diese Arbeit bereits fortgeschritten ist und welche Schritte noch folgen sollen, wurde auf dem 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt diskutiert – vor allem vor dem Hintergrund, dass die neue Bundesregierung die ärztliche Vergütung grundlegend neu regeln will.
Mit insgesamt sieben Änderungsanträgen wurde der Leitantrag zur Novellierung der GOÄ angepasst. Dadurch nahmen die Berufsverbände unter Federführung der Allianz deutscher Ärzteverbände dem Vorstandsantrag der BÄK einige Unschärfen und legten die Grundlage für erfolgreiche Weiterverhandlungen mit PKV und Ministerium. Verhandelt werden soll allerdings nur unter der Prämisse, dass das duale System von GKV und PKV erhalten bleibt. Eine Vereinheitlichung von GOÄ und Einheitlichem Bewertungsmaßstab (EBM) lehnten die ärztlichen Delegierten schlicht ab.
GOÄalt soll nicht erhöht werden
Die Allianz deutscher Ärzteverbände (bestehend aus NAV-Virchow-Bund, MEDI Geno, Hartmannbund, GFB, BDI und SpiFa) vertrat in der Debatte erfolgreich die Interessen der niedergelassenen Ärzte – auch, weil sie ihre Strategie vorausschauend mit der Kassenärztlichen Bundevereinigung koordinierte. Auf Initiative der Allianz sprachen sich die Delegierten dann auch dafür aus, die Arbeiten an der GOÄneu als „eigene ärztliche Gebührenordnung“ fortzuführen. Bereits fertiggestellte Teile sollen je nach politischer Lage vorgelegt oder zurückbehalten werden.
Einzelne Delegierte forderten zugleich eine Anhebung der GOÄalt. Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender der Gebührenordnungskommission der BÄK, konterte: „Solche Forderungen zeugen von fehlendem politischen Realitätssinn. Dann sagt doch die Politik: Wozu wollt ihr noch die GOÄneu, ihr habt ja jetzt mehr Geld!“ Einzige Ausnahme: Die Bewertung der Leichenschau soll schon jetzt erhöht werden; sie ist seit Jahren viel zu niedrig vergütet. So jedenfalls fordert es ein Beschluss des deutschen Ärztetages. Umsetzung ungewiss.
Über 5.500 Leistungen in der GOÄneu
In der GOÄ werden sämtliche möglichen Ärztlichen Leistungen detailliert aufgelistet und beschrieben. Das novellierte Leistungsverzeichnis mit 5.589 Leistungslegenden ist seit Ende 2017 fertiggestellt. Die erfassten Grundleistungen in der Allgemeinmedizin wuchsen von 64 (GOÄalt) auf 103 (GOÄneu). Im Kapitel F „Innere Medizin und sonstige nicht-operative Leistungen“ stieg die Zahl der Legenden sogar von 144 auf 404. Auch die Chirurgie differenzierte sich stark, von 677 auf 2532 Legenden. Analogziffern anzusetzen sowie Honorarvereinbarungen jenseits des Regelwerks zu treffen, ist in der GOÄneu weiterhin möglich.
Aktuell arbeitet die Bundesärztekammer an der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Darin gibt es mehrere Stellschrauben, die den Wert einer Leistung beeinflussen:
Die Kosten für die ärztliche Leistung orientieren sich an den realen Facharzt-, Oberarzt- und Chefarztgehältern im Krankenhaus. Minimale Änderungen an einer Position können sich im Einzelfall zu enormen Kostenzuwächsen oder -reduktionen skalieren.
Um den Wert der einzelnen Leistungen zu bestimmen, greift die Bundesärztekammer auf einen breitgefächerten Datenpool zurück. Abrechnungsdaten fließen dort genauso ein wie Zahlen aus dem statistischen Bundesamt, dem Arztregister, dem PKV-Verband und den Berufsverbänden. So sollen möglichst realistische Schätzungen zustande kommen. Derzeit gibt es einen Rohentwurf, der aber noch weit davon entfernt ist, veröffentlich zu werden.
Am Ende sollen zwei Varianten der betriebswirtschaftlichen Kalkulation stehen, eine „interne“ und eine marktorientierte Angebotsvariante. Letztere wird die Kostensteigerung im Vergleich zur GOÄalt auf ein für die Kassen verträgliches Maß absenken. Die derzeitige Kalkulation würde nämlich eine Erhöhung um 84 Prozent ergeben. „Das ist politisch schwierig zu vertreten“, gab Reinhardt zu. Er erklärte aber auch, dass es noch einige Berechnungsfehler aufgrund offensichtlicher Bewertungsfehler und Implausibilitäten auszumerzen gebe.
Beim Festsetzen der zeitlichen Aufwände gerät man zudem in ein Dilemma mit dem EBM: Dort wurden Zeitangaben häufig nach unten korrigiert, um Plausibilitätsprüfungen zu vermeiden. Bei der GOÄneu dagegen werden tendenziell höhere Zeiten angesetzt. Dafür gilt es jetzt Kompromisse finden.
Eine eigenständige Gebührenordnung ist die Grundlage eines jeden freien Berufes – bei Anwälten, Architekten und auch Ärzten. Denn alle Ärzte sind Freiberufler – selbst, wenn sie angestellt sind. Wenn die GOÄ erst einmal steht, muss sie von der Bundesregierung per Rechtsverordnung angenommen werden. Auch der Bundesrat muss seine Zustimmung geben. Bis es soweit ist, müssen die Verbände also noch viel berufspolitische Arbeit leisten.
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