Um vom Symptom zur Diagnose zu gelangen, sind mehrere Teilschritte notwendig. Dieses schrittweise Arbeiten ist Voraussetzung für das korrekte Erstellen einer Diagnose eines jeden Tierarztes. Um eine spezifische Therapie erstellen zu können, benötigt es die korrekte Feststellung der Erkrankung, wobei anhand von 5 Punkten das "medizinische Denken" definiert wird..
Krankheiten, gleich ob beim Tier oder Mensch, können aufgrund besonderer Veränderungen des Lebenszustandes erkannt werden. Man nennt solche Abweichungen vom physiologischen Zustand als Krankheitserscheinungen oder (besser bekannt) Symtome. Hierbei können folgende Punkte unterschieden werden:
Im Gegensatz zu den Menschen fehlt den Tieren in der Regel die Mitteilungsfähigkeit für subjektive Empfindungen, sodass der Tierarzt in den meisten Fällen eine Erhebung der objektiven Symptome durchführen muss. Damit der Untersucher derartige Abweichungen von der Norm überhaupt erst erkennen kann, sind Kentnisse des physiologischen Zustandes sowie des physiologischen Verhaltens der betreffenden Tierart, notwendig. Derartige physiologische Befunde sind aber auch von der Umwelt (inkl. Training und Abrichtung) beeinflusst, sodass der Tierarzt diese Faktoren berücksichtigen muss.
Wird dennoch aus den Abweichungen von der Norm eine Krankheit festgestellt, so wird dies im medizinischen Sprachgebrauch als "Stellen einer Diagnose" oder "diagnostizieren" bezeichnet. Um die notwendigen (schrittweisen) Denkgänge zu einer Diagnose anhand eines Beispiels zu veranschaulichen, bieten sich die fünf Stufen einer wissenschaftlichen Analyse an:
Schritt 1 & 2: Untersuchung
Durch den Nachweis einer Abweichung von der Norm (Schwierigkeit) wird der Denkprozess beim Diagnostizieren in Gang gesetzt. Damit ist gemeint, dass das Feststellen eines oder mehrerer Symptome zum Anlass weiterer Schritte führt. Aus diesem Grund ist jedes Symptom im Prinzip ein physiologischer Vorgang, der nur quantitativ, qualitativ oder zeitlich von der Norm abweicht. Um Symptome überhaupt Feststellen zu können, sind folgende Voraussetzungen notwendig:
So kann mit der Hilfe diagnostischer Methoden die Schwierigkeit lokalisiert und präzisiert werden und so einem Organ oder einem Organsystem zugeordnet werden. Dies ist auch der Grund, weshalb Kenntnisse der Grundlagenfächer wie z.B. Physiologie, Anatomie, Physik und Biochemie, aber auch spezialisierte Fachdisziplinen wie die Pathologie bzw. Pathophysiologie und Wissen über die Umweltfaktoren, unverzichtbar sind.
Schritt 3 & 4: Stellen der Diagnose und Therapie
Konnte eine Lokalisation der Normabweichung festgestellt werden, sollte die Zuordnung der Krankheitserscheinungen zu einem bekannten Modell erfolgen. Damit letztendlich ein Ansatz einer möglichen Lösung in Form einer Diagnose erstellt werden kann, muss der Tierarzt die verschiedenen Symptome korrelieren, sie auf ihre gegenseitige Unabhängigkeit prüfen und ihre Wertigkeit einschätzen. Eine mögliche Variante hierfür ist der Weg des Ausschlusses (Diagnose per exclusionem). Beruht die erstellte Diagnose auf tatsächlich vorliegenden Veränderungen, so spricht man von einer affimartiven Diagnose, wohingegen wenn ein Symptom Rückschlüsse auf nur eine bestimmte Krankheit zulässt, von einem pathognomischen (krankheitsbezeichnendem) Symptom gesprochen wird. Hierbei muss erwähnt werden, dass es in den meisten Fällen jedoch nicht möglich ist, gleich eine bestimmte Diagnose zu stellen und somit nicht nur das Organ oder den Sitz der Krankheit, sondern auch die Ursache und die Art der Erkrankung, festzustellen. So kann zwischen verschiedenen Diagnosen unterschieden werden:
Von Differenzialdiagnosen spricht man dann, wenn verschiedene, als Ursache der Symptome in Betracht kommende Erkrankungen aufgelistet werden. Gleichzeitig konnte man im Laufe der Medizingeschichte erkennen, dass klassische Krankheitsbilder nicht mehr "lehrbuchkonform" auftreten, sondern, dass Symptomatologie und Verlauf einerseits verschwimmen, andererseits ihre Ätiologie deutlich an Komplexität zunimmt.
Schritt 5: Prüfen der Diagnose
Als letzter Schritt hat der Tierarzt die Aufgabe, die Richtigkeit seiner Diagnose zu kontrollieren und eventuell anzupassen oder gar zu ändern. Diese Maßnahmen werden anhand des Krankheitsverlaufes oder aufgrund des Erfolgs der Therapie oder der Bekämpfungsmaßnahmen, getroffen. Solche Schritte müssen jedoch bei Infektionskrankheiten unter der Berücksichtigung von Epidemiologie erfolgen. Aufgrund dieser Tatsachen, sollte der Tierarzt also nicht nur eine Bestätigung der Lösung seines logischen Denkens suchen, sondern er sollte auch die Lösung stets in Frage stellen, wobei der Zeitfaktor eine wichtige Rolle spielt. Dabei kommt es also nicht nur auf das Zusammenspiel der Symptome zu einem bestimmten Untersuchungszeitpunkt an, sondern auch auf die einzelnen Änderungen des Musters der Symptome im Verlauf eines bestimmten Zeitraumes (in der Regel Tage bis Wochen), das in einer bestimmten Anzahl der Fälle erst zu einer Diagnose führt. Dies ist auch der Grund, weshalb der gesamte Vorgang von Tag zu Tag wiederholt werden sollte und die Hypothese (hier: Diagnose) zu korrigieren ist, wenn die Entwicklung der Symptome nicht mehr mit ihr im Einklang steht.
All diese einzelnen Schritte definieren letztendlich nichts anderes als das eingangs erwähnte "medizinische Denken" und verläuft bei erfahrenen Tierärzten intuitiv und teilweise unbewusst ab.
(Literatur: Baumgartner, Walter, ed. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. Georg Thieme Verlag, 2009.)