Der erste Punkt des allgemeinen klinischen Untersuchungsganges ist das Festellen des Nationale des Pferdes. Darunter versteht man grobsinnig die Kennzeichen bzw. Signalelemente eines Pferdes, die wie ein Fingerabdruck für jedes Tier einzigartig sind. Damit das Nationale richtig festgehalten werden kann, müssen einige Kenntnisse über Pferde vorhanden sein.
Der allgemeine klinische Untersuchungsgang ist ein systematisch-strukturierter Ablauf von Einzeluntersuchungen, um einen groben Überblick über den Allgemeinzustand eines Patienten zu bekommen. Er dient dazu, Pathologien von physiologischen Zuständen zu unterscheiden, um eventuell weitere Maßnahmen zur Diagnosefindung veranlassen zu können.
In der folgenden Blogreihe sollen Einblicke in die einzelnen Schritte des allgemeinen klinischen Untersuchungsganges für Klarheit schaffen, welche Wichtigkeit eine vollständig durchgeführte Untersuchung hat.
Im ersten Beitrag wird das Nationale der Pferde in den Fokus genommen.
Einführung
Der allgemeine klinische Untersuchungsgang beinhaltet verschiedene Gesichtspunkte, die nach der Reihe abgearbeitet werden müssen. Zu Beginn einer jeden Untersuchung ist das Nationale des Patienten zu erfassen. Dazu müssen folgende Punkte festgehalten werden:
Um eine sorgfältige Dokumentation aller Einzelpunkte gewährleisten zu können, empfiehlt es sich, eine kurze Zeichnung des Patienten oder eine Fotografie in die Akte abzulegen.
Farbe
Pferde weisen eine unterschiedliche Fellfarbe auf, wobei unter folgenden Typen unterschieden werden sollte:
Geschlecht
Beim Erfassen des Geschlechtes unterscheidet man zwischen einer Stute, Hengst, Wallach oder Kryptorchiden.
Abzeichen
Um Abzeichen dokumentarisch festhalten zu können, muss vorab zwischen angeborenen und erworbenen Abzeichen unterschieden werden:
Zu den angeborenen Abzeichen zählen:
Zu den erworbenen Abzeichen zählen:
Um alle Abzeichen genau dokumentieren zu können, sollten Fotografien von vorne, rechts, links und hinten vom Pferd angefertigt werden, da dies die Seiten sind, wo Abzeichen für den Equidenpass eingetragen werden müssen. Pferde, die keine Abzeichen besitzen oder weniger als drei Haarwirbel aufweisen, werden nur anhand der Kastanien dokumentiert. Außerdem ist der Mikrochip auf Höhe des 4. Halswirbels, ca. 10 cm unterhalb des Mähnenansatzes, aufzufinden. Bei Fohlen liegt dieser ca. 3 cm und bei 1,5 - 16 Jahre alten Pferden 5 - 6,5 cm tief in der Nackenplatte unterhalb des Musculus rhomboideus.
Altersbestimmung
Zu Beginn werden die Tiere allgemein beurteilt, wobei auf die Haltung und eventuellen weißen Haaren geachtet wird. Im Zuge der genaueren Untersuchung werden die Zähne betrachtet. An den Zähnen werden folgende Faktoren zur Altersbestimmung herangezogen:
Milchschneidezähne erscheinen als glänzend-weiß und haben an der labialen Fläche in der Längsrichtung deutliche Schmelzfalten. Außerdem sind sie kleiner ausgebildet als die bleibenden Zähne und zeigen einen deutlich abgesetzten Zahnhals, der als Verengung zwischen Krone und Wurzel erkennbar ist. Aus diesem Grund erscheint die Vorderfläche der Milchzähne dreieckig. Gleichzeitig bezeichnet man die auf der Reibefläche befindliche Vertiefung als Kunde oder Kronenhöhle.
Die bleibenden Zähne sind im Gegensatz zu den Milchzähne deutlich größer ausgebildet, gelblich verfärbt und zeigen keinen Hals. Der Vorderrand der Zähne überragt dabei etwas den Hinterrand und wird aufgrund dessen auch früher abgerieben. Im Oberkiefer sind die Kunden für gewöhnlich 12 mm tief, im Unterkiefer hingegen nur 6 mm. Diese Zahlen sind jedoch nur Richtwerte, sodass Unregelmäßigkeiten ebenso auftreten können.
Die Milchhakenzähne sind in der Regel sehr klein ausgebildet und durchbrechen daher das Zahnfleisch selten. Die meist nur bei den Männchen ausgebildeten bleibenden Hakenzähne erscheinen zwischen 3 und 6 Jahren, wobei sie im Unterkiefer früher durchbrechen als im Oberkiefer.
Das bleibende Gebiss ist mit dem 5. vollendeten Lebensjahr vollständig und wird dann als Zangengebiss bezeichnet, da es von der Seitenansicht den Backen einer Beißzange ähnelt. Im weiteren Verlauf des Alterns, ca. ab dem 10. bis 12. Lebensjahr, erscheint das Pferdegebiss stärker gestreckt, weshalb man von einem Winkelgebiss spricht.
Im Alter von 7 - 9 Jahren tritt der erste Einbiss an den Eckzähnen des Oberkiefers auf. Dieser verschwindet wiederum im Alter von etwa 12 Jahren. Zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr tritt der zweite Einbiss auf, wobei dieser ebenfalls wieder verschwindet.
Etwa um das 10. Lebensjahr erscheint unter dem Zahnfleischrand der Eckzähne des Oberkiefers die Galvayne'sche Furche. Sie ist eine Rinne in der Längsrichtung an der Lippenfläche des Zahnfleisches, die im Alter von etwa 15 Jahren die Mitte zwischen Zahnfleisch und Kronenrand und im Alter von 20 Jahren den Kronrand selbst erreicht. Diese Rinne beginnt jedoch ab dem 2. Lebensjahr, vom Zahnfleischrand zum Kronrand verlaufend, wieder zu verschwinden, wobei sie mit etwa 25 Jahren wieder auftritt, jedoch nur auf der unteren Hälfte des Zahnes. Mit 30 Jahren ist die Galvayne'sche Furche wieder vollständig verschwunden.
Mit dem 13. Lebensjahr tritt die Kernspur in Erscheinung. Als Kernspur bezeichnet man die mit Ersatzdentin kronenwärts verschlossene Pulpahöhle im Unterkiefer an den Zangen. Mit ca. 14 Jahren ist sie auch an den Mittelzähnen ersichtlich, usw.
Folgende Tabelle hilft dabei, die einzelnen Durchbrüche und Abreibungen mit dem Alter des Pferdes zu vergleichen, wobei die Zahnbeurteilung und folglich die Altersschätzung bei Trabern und Vollblutpferden erheblich von den genannten Zahlen abweichen kann.
Fakten zum Durchbruch und der Abreibung bei Fohlenschneidezähne im Oberkiefer:
Fakten zum Durchbruch und der Abreibung bei Fohlenschneidezähne im Unterkiefer:
Fakten zum Wechselgebiss und bleibendem Gebiss beim Pferd:
Körperhöhe
Im Zuge der Ermittlung der Körperhöhe werden Stock- und Bandmaß und somit die Distanz vom Tragrand des Vorderfußes bis zum höchsten Punktes des Widerristes bei gerader Gliedmaßenstellung erfasst.
Körpermasse
Körpermasse können entweder durch Abwiegen oder durch reines Schätzen ermittelt werden, falls keine Waage zur Verfügung steht. Als Richtwerte können folgende groben Einteilungen zur Hand genommen werden:
Nutzungsart
Pferde weisen ein breites Spektrum in ihrem Nutzen für den Menschen auf:
(Literatur: Baumgartner, Walter, ed. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. Georg Thieme Verlag, 2009.)