Molekulare Ursachen für ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko am Morgen waren bisher unklar. Forscher enlarvten die Neutrophilen Granulozyten, sowie deren gekoppelten Chemokinrezeptor CXCR2 als Auslöser. Beide arbeiten in den Morgenstunden intensiver als am Rest des Tages.
Nach einem Herzinfarkt hängt es vom Tageszeitpunkt ab, wie sich die Entzündungsreaktion im betroffenen Herzmuskel entwickelt. Ein Forscherteam um Sabine Steffens vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), hat diesen Zusammenhang in einer Studie bestätigt und zugleich aufgedeckt, dass die Stärke der Immunantwort und damit die Rekrutierung der Neutrophilen Granulozyten an die Entzündungsstelle über den Tagesverlauf schwankt. Entscheidend dafür ist der Chemokinrezeptor CXCR2, dessen Aktivität vom Biorhythmus beeinflusst wird.
Bei einem Herzinfarkt sterben Herzmuskelzellen ab. Daraufhin wandern Zellen des Immunsystems, die Neutrophilen Granulozyten, in das geschädigte Gewebe. Sie lösen eine Entzündungsreaktion aus, durch die das abgestorbene Gewebe von Immunzellen abgebaut wird. Steffens konnte zeigen, welch wichtige Funktion die Neutrophilen für den Heilungsprozess haben, solange die Immunreaktion im Gleichgewicht ist und sie nicht in zu großer Menge auftreten. Mehrere Studien belegen, dass das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, in den frühen Morgenstunden am größten ist. Auch der weitere Verlauf hängt vom Tageszeitpunkt ab: Die Sterblichkeit ist bei morgendlichen Herzinfarkten größer und die Heilungschancen sind schlechter. Bislang war jedoch weitgehend unklar, was die molekulare Ursache dafür ist. Das Team um Steffens konnte nun im Mausmodell zeigen, dass der Zustrom der Neutrophilen in den geschädigten Herzmuskel ebenfalls vom Biorhythmus abhängt. Die Immunzellen lösen etwa eine Stunde nachdem die aktive Phase begonnen hat, eine stärkere Entzündung aus als in der Schlafphase oder im späteren Tagesverlauf.
„Zu Beginn der aktiven Phase werden mehr Neutrophile aus dem Knochenmark freigesetzt. Beim Menschen liegt ihre aktive Phase in den frühen Morgenstunden. Ein Herzinfarkt zu dieser Zeit führt zu einer übermäßigen Entzündungsreaktion durch Neutrophile“, sagt Steffens. Das verschlechtert die Heilungschancen, da sich infolge der stärkeren Entzündung auch mehr Narben im Gewebe bilden und sich der Herzmuskel ausdehnt, was das Herz schwächt. Die Forscher wiesen zudem nach, dass auch der Chemokinrezeptor CXCR2, der an der Zelloberfläche der Neutrophilen sitzt, nach Uhrzeit „arbeitet“. Am stärksten wird er direkt nach dem Aufwachen exprimiert. Wurde der Rezeptor medikamentös unterdrückt, verringerte sich die Entzündung und damit die Schädigung des Herzmuskels. „Unsere Studie zeigt, dass der Tageszeitpunkt eine wichtige Rolle für die Behandlung eines Herzinfarkts spielt und dass CXCR2 ein interessantes therapeutisches Ziel sein kann, wenn nach einem Herzinfarkt zu viele Neutrophile in das geschädigte Muskelgewebe wandern“, sagt Steffens.
Originalpublikation:
The time-of-day of myocardial infarction onset affects healing through oscillations in cardiac neutrophil recruitmentMaximilian J. Schloss et al.; EMBO Molecular Medicine, doi: 10.15252/emmm.201506083; 2016