Aufgrund zunehmender und bereits seit drei Tagen andauernder Hodenschmerzen stellt sich ein 37-jähriger Mann in der Notaufnahme vor. In der körperlichen Untersuchung zeigt sich der linke Hoden geschwollen und schmerzempfindlich – die Symptome eines akuten Skrotums.
Der behandelnde Arzt schließt eine Hodentorsion per Doppler-Sonografie aus. Als weitere Differentialdiagnose des akuten Skrotums bleibt der Verdacht auf eine Epididymoorchitis, also die kombinierte Entzündung des Hodens und Nebenhodens. Sie entsteht meist durch aufsteigende Keime eines Harnwegsinfekts. Tatsächlich bestätigt der Patient, einige Tage zuvor Symptome eines Harnwegsinfekts gehabt zu haben. Er erhält daher Verschreibungen für Ciprofloxacin und ein Analgetikum sowie die Anweisung zu regelmäßigen skrotalen Elevationen und wird entlassen.
Keine Besserung in Sicht
Sechs Stunden später ist er zurück. Die Schmerzen nehmen weiter zu. Die Doppler-Sonografie zeigt diesmal eine Umkehr des enddiastolischen Flusses, ein mögliches Zeichen für einen bevorstehenden Infarkt. Die Ärzte entscheiden sich daher für eine operative skrotale Exploration. Hier ist ein Blutstau im Hoden sichtbar, jedoch keine Hinweise auf eine Hodentorsion, einen Infarkt oder Abszess festzustellen. Am Tag nach der Operation klagt der Patient weiterhin über Schmerzen und die Hoden verfärben sich dunkelblau. Im Ultraschall können die Ärzte daraufhin keinen Blutfluss mehr feststellen und müssen den linken Hoden chirurgisch entfernen.
Seltener, schwerer Verlauf einer häufigen Krankheit
Bei der Untersuchung in der Pathologie wird eine nekrotisierende Entzündung von Hoden, Nebenhoden, Samenleiter und Blutgefäßen sichtbar. Eine Urinkultur zeigt ein erhebliches Wachstum von Escherichia coli. Derartige Komplikationen einer Epididymoorchitis stellen einen seltenen Verlauf einer häufigen Krankheit dar. In der Regel können Infektionen erfolgreich ambulant versorgt werden. Wie eine derartige Infektion zu einem skrotalen Infarkt führt, ist nicht abschließend verstanden. Die behandelnden Ärzte kritisieren die mangelhafte Datenlage und fehlende Leitlinien für solch kompliziert verlaufende Fälle.
Quelle:
Adrian Rhudd et al., Journal of Surgical Case Reports, doi: 10.1093/jscr/rjx207; 2017