Bei therapieresistenter Hypertonie galt die Verödung von Nierennerven lange als Ultima Ratio. Dann enttäuschte das Verfahren in Studien: Renale Denervierung senke den Blutdruck nur schwach. Jetzt gibt es schon wieder Neuigkeiten.
Patienten mit pharmakologisch nicht kontrollierbarer Hypertonie profitieren stark von der Verödung bestimmter Nerven. Zu diesem vielversprechenden Ergebnis kamen Forscher noch vor ein paar Jahren im Rahmen von SYMPLICITY HTN-1 und SYMPLICITY HTN-2. Mit einem Katheter, der von der Leiste aus in die beiden Nierenarterien vorgeschoben und kurzzeitig erwärmt wird, veröden sie überaktive Nervenfasern. Die Theorie dahinter ist, dass erhöhte Aktivitäten des Sympathikus zur Freisetzung von mehr Renin und Noradrenalin freigesetzt. Beide Moleküle erhöhen den Blutdruck. Nach dem Eingriff sank der systolische Blutdruck bei Studienteilnehmern um 27 bis 32 mmHg. Das ist ein starker Effekt.
Doch die Freude währte nur kurz. Sowohl SYMPLICITY HTN-1 als auch SYMPLICITY HTN-2 waren „Proof-of-Concept“-Studien. Sie sollten zeigen, dass renale Denervationen sicher und wirksam sind. In beiden Fällen wurde keine Scheinintervention zur Kontrolle durchgeführt. Das sollte sich mit SYMPLICITY HTN-3 ändern. Erstmals verglichen Ärzte Patienten, die mit oder ohne Ablation katheterisiert worden sind. Sie erlebten eine herbe Enttäuschung. In beiden Studienarmen lag die Differenz des systolischen Blutdrucks bei 2,39 mmHg und war statistisch nicht signifikant. Die FDA hatte valide Daten gefordert und stoppte die Zulassung sehr zum Ärger von Herstellern. Weltweit brachen die Patientenzahlen ein. Doch die Arbeit geriet stark unter Beschuss. Grafik: Katholisches Klinikum Essen / CC BY-SA 3.0
Michel Azizi von der Paris-Descartes University hat wenig später eine eigene Studie namens DENERHTN initiiert. Im Artikel kritisiert er, bei SYMPLICITY HTN-3 hätten nicht alle Ärzte die erforderliche Erfahrung, renale Denervationen durchzuführen, gehabt. Außerdem seien zu wenige Punkte verödet worden. Studienteilnehmer sollten unter mehreren blutdrucksenkenden Arzneistoffen auf 135 mmHg systolisch oder 85 mmHg diastolisch erreichen. Durch die zusätzliche renale Denervation sank der systolische Blutdruck um 15,8 mmHg, verglichen mit 9,9 mmHg unter einer optimierten Pharmakotherapie. Scheininterventionen führte Azizi nicht durch.
Diese Lücke schloss Azizi jetzt mit RADIANCE-HTN SOLO. An seiner neuesten Studie nahmen 146 Patienten mit Hypertonie teil, die ihre Medikation absetzen mussten. Sie kamen auf Werte von 135/85 mmHg bis 170/105 mmHg. Von ihnen unterzogen sich 74 einer renalen Denervation und 72 einem Scheinverfahren ohne Verödung. Nach zwei Monaten sank der systolische Blutdruck unter Ablation signifikant stärker (-8,5 mm Hg versus -2,2 mmHg). In keiner der beiden Gruppen traten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wie Nierenversagen oder Embolien auf. Azizis Ergebnisse decken sich mit den beiden Proof-of-Concept-Studien SPYRAL HTN-ON MED und SPYRAL HTN-OFF MED. In einem Editorial spricht Sverre E. Kjeldsen von der Faculty of Medicine, University of Oslo, von „ersten belastbaren Hinweisen aus Studien, dass renale Denervationen den Blutdruck senken“. Gleichzeitig spricht er den schwachen Effekt an, verglichen mit Arzneistoffen. Gleichzeitig spricht er die schlechte Adhärenz an. Bei SPYRAL HTN-ON MED hätten nur 60 Prozent aller Patienten ihre Pharmaka korrekt eingenommen. Allein durch mehr Therapietreue könne der Blutdruck gesenkt werden. Trotzdem hält er renale Denervationen für sinnvoll. Er fordert, Kriterien zu finden, um Responder von Nonrespondern zu unterscheiden. Außerdem gebe es noch keine Langzeitdaten zum Verfahren. Werden diese Lücken geschlossen, kann er sich sehr wohl vorstellen, dass renale Denervationen im klinischen Alltag Zukunft haben.