Mit anaphylaktischen Symptomen wird ein 60-jähriger Mann in die Notaufnahme gebracht. Er klagt über Atemnot und sein Rachen ist ödematös geschwollen. Die Ärzte bekommen dies medikamentös schnell in den Griff, die Suche nach dem Auslöser birgt eine Überraschung.
Ein 60-jähriger Mann wird wegen Atemnot und geschwollenem Rachen in die Notaufnahme eingeliefert. Die Ärzte bekommen seine Symptome medikamentös schnell in den Griff. Der Patient hat keine Vorerkrankungen, kein Asthma oder Atopie und keine bekannten Allergien.
Er berichtet, dass er seit drei Wochen häufig unter spontan auftretendem Juckreiz und urtikarischem Ausschlag am ganzen Körper leide. Die Ausschläge seien von Bauchschmerzen, Diarrhoen, Husten und Halsschmerzen begleitet und innerhalb von 24 Stunden abgeklungen – nur um kurze Zeit später erneut aufzutreten.
Urtikarischer Ausschlag © W Landon Jackson
Allergisch gegen unbekannt
Eine Ursache dafür ist nicht zu erkennen. Der Patient verneint, Seife, Waschmittel oder seine Ernährung in letzter Zeit umgestellt zu haben. Jedoch sei er ungefähr zwei Wochen vor Symptombeginn in Arkansas, USA von einer Zecke gebissen worden.
Aufgrund der Informationen formulieren die Ärzte vier Differentialdiagnosen:
Im Labor fällt eine deutliche Erhöhung von IgE-Antikörpern auf, die ersten drei Differentialdiagnosen können hingegen durch verschiedenste Tests ausgeschlossen werden.
Lebensmittelallergie durch Zeckenstich
In jener Region der Vereinigten Staaten lebt eine bestimmte Zeckenart („Lone Star Tick“, Amblyomma americanum), deren Stich eine Allergie gegen Fleisch von Säugetieren auslösen kann. Der menschliche Körper reagiert dabei auf das Zuckermolekül Galactose-Alpha-1,3-Galactose (Alpha-gal), das in den meisten Säugetieren, jedoch nicht in Primaten zu finden ist. Wird es durch den Stich übertragen, bildet der Mensch IgE-Antikörper gegen das Molekül.
Sobald ein Betroffener wieder Fleisch isst, richten sich die neu gebildeten Antikörper gegen das mit dem Fleisch aufgenommene Alpha-gal. Im Gegensatz zu anderen Nahrungsmittelallergien treten die Symptome bei der Alpha-Gal-Allergie mit einer Verzögerung von drei bis sechs Stunden auf, was die Identifizierung des Triggers erschwert.
Therapie: Fisch statt Steak
Auf Anfrage wird der Verdacht durch das Labor bestätigt – der IgE-Titer gegen Galaktose-alpha-1,3-galaktose beträgt 8,45 kU/L. Normal ist ein Wert unter 0,35 kU/L. Die Ärzte raten dem Patienten, bei Mahlzeiten das Fleisch von Säugetieren durch Fisch und Geflügel zu ersetzen. Er profitiert deutlich von dieser Ernährungsumstellung und ist seitdem symptomfrei.
In ihrem Bericht beschreiben die behandelnden Ärzte die Fallzahl in den USA als massiv steigend. Bei wiederholten Anaphylaxien ohne erkennbare Ursache sei daher eine Reiseanamnese und das Wissen über diese Krankheit von entscheidendem Wert.
Quelle:
Mammalian meat allergy following a tick bite: a case report; W Landon Jackson, Oxford Medical Case Reports, doi: doi.org/10.1093/omcr/omx098
Artikel von Maren Böcker