Verbindung zwischen Endocannabinoidmangel und Migräne
Es gibt eine Reihe von Erkenntnissen, die eine mögliche Verbindung zwischen einem Endocannabinoidmangel Syndrom und Migräne begründen. Der möglicherweise stärkste Hinweis stammt aus einer Untersuchung, in der Anandamidkonzentrationen im Liquor von Migränepatienten und Kontrollpersonen untersucht wurden: Migränepatienten hatten eine signifikant verminderte Konzentration.
Die bei Migräne häufig auftretenden Phänomene wie Überempfindlichkeit gegen Licht oder Geräusche implizieren eine sensorisch erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Unter normalen Umständen würde ein solches Ungleichgewicht im Nervensystem durch das Endocannabinoidsystem im zentralen Nervensystem ausgeglichen werden.
Das periaquaduktale Grau gilt als wichtige Hirnstruktur bei der Entstehung von Migräne. In der auch als Migränezentrum im Hirnstamm bezeichnete Region ist Anandamid tonisch aktiv und bewirkt Schmerzlinderung. Wird der CB1-Rezeptor, an den Anandamid als Ligand bindet, blockiert, steigt die Schmerzempfindlichkeit an.
Dass das ECS eine bedeutsame Rolle in der Pathophysiologie der Migräne spielen könnte, ergibt sich aus auch Untersuchungen, die eine Verbindung zwischen Endocannabinoiden und dem trigeminovaskulären System gefunden haben, das als zentral im Entstehungsprozess angesehen wird:
Scheinbar widersprüchlich erscheint, dass Anandamid auch in der Lage ist, die Dilatation von Blutgefäßen zu vergrößern.
Es bleibt zu bedenken, dass bei Migräne eine Vasokonstriktion und Vasodilatation in unterschiedlichen Phasen eines Anfalls auftreten. Die Konzentrationen von Anandamid, die in diesem Zusammenhang gemessen wurden, waren deutlich über dem Spiegel, der notwendig ist, um den CB1-Rezeptor zu aktivieren.
Es wird daher vermutet, dass eine wiederholte Gabe von CBD den Rezeptor desensibilisieren und pathophysiologische Vorgänge mildern könnte – vergleichbar einer Behandlung mit Capsaicin für die neuropathische Schmerzlinderung bei Migräne.
Zahlreiche weitere Untersuchungen haben Verbindungen entdeckt. Kurz genannt seien Folgende:
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In Frauen mit Migräne ohne Aura wurde eine erhöhte Aktivität der Anandamid Hydrolase (FAAH – fatty acid amidohydrolase) beobachtet. Dadurch könnte die Schmerzempfindlichkeit herabgesetzt werden.
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Eine Studie fand deutlich verringerte Werte von 2-AG und Anandamid in Migränepatienten ohne Aura.
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Genetische Untersuchungen fanden einen signifikanten Link zwischen dem CNR1-Gen, das für den CB1-Rezeptor kodiert und Migräne.
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Eine Studie untersuchte die Wirkung von Cannabis bei Migränepatienten. Die Häufigkeit der monatlichen Attacken reduzierte sich von 10,4 auf 4,6. 85,1 % der Patienten berichteten über verringerte Migränehäufigkeit sowie weniger Kopfschmerzen.
CED & Reizdarm
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Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Störung des Verdauungstraktes, welche sich durch Bauchschmerzen, Krämpfe, Unwohlsein, Durchfall und/oder Verstopfung ohne akute Ursache (Virusinfektion o.ä.) äußert.
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Das Reizdarmsyndrom ist stark mit Angstzuständen assoziiert, wobei noch immer darüber diskutiert wird, welcher Zustand vorausgeht.
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Mit einer Inzidenz von 10 bis 15 % ist das Reizdarmsyndrom eine sehr häufige Diagnose.
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Ein Review kam zu dem Ergebnis, dass Darmbewegungen, Sekretion und Inflammation durch das ECS moduliert werden. Damit erscheint auch eine Behandlung mit Cannabinoiden nachvollziehbar.
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Im 19. Jahrhundert wurde Cannabis als effektives Mittel bei choleraassoziiertem Durchfall angewendet. Mit modernen Methoden wurde 2003 die Wirksamkeit bestätigt.
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Die Untersuchung von zirkulären Muskelfasern aus dem Colon gesunder Personen zeigte, dass Anandamid mit cholinergen Rezeptoren co-lokalisierte. Die cholinergen kontraktilen Kräfte wurden durch einen (wahrscheinlich) CB1- und CB2- unabhängigen Mechanismus gehemmt.
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In Reizdarmpatienten hingegen wurde eine 3,5-fach erhöhte Menge an Nervenfasern gefunden, die TRPV1-sensitiv sind. TRPV1 ist der Capsaicin- oder Vanilloid Rezeptor, an dem (unter anderem) das Endocannabinoid Anandamid binden kann. Die erhöhte Menge an TPRV1-Nervenfasern könnte mit viszeraler Hypersensitivität und Schmerz einhergehen.
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Genetische Variationen, welche den Endocannabinoid-Stoffwechsel betreffen, wurden Reizdarmpatienten mit vorherrschendem Durchfall gefunden.
Für konkrete Aussagen sind weitere detaillierte Analysen und randomisierte kontrollierte Studien notwendig.
CED & Fibromyalgie
Die Fibromyalgie ist eine nichtentzündliche Erkrankung, bei der die Muskulatur des ganzen Körpers sowie das Bindegewebe schmerzen. Obwohl die Schmerzen stark und die Einschränkungen mitunter groß sind, verursacht die Fibromyalgie keine Schäden an Organen oder Strukturen.
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Untersuchungen zeigen, dass bei Fibromyalgiepatienten im Rückenmark eine Endocannabinoid-Unterfunktion vorliegt.
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Durch Endocannabinoide kann die erhöhte Schmerzempfindlichkeit gesenkt werden. Dadurch erscheint ein Zusammenhang mit dem Endocannabinoidmangel Syndrom naheliegend.
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Cannabis bzw. Cannabinoide werden schon seit Längerem von Fibromyalgie Patienten angewendet, um Linderung für verschiedene Symptome zu erfahren. Studien mit THC, Nabilone oder Cannabisblüten zeigten in vielen Fällen deutliche Verbesserungen der Schmerzsymptomatik, der Schlafqualität, von Angstzuständen und Wohlbefinden.
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Bestehende Medikamente bei Fibromyalgie zeigen häufig nicht den gewünschten Erfolg gegen die Symptome der Patienten. Für eine bessere Einschätzung sind randomisierte kontrollierte Studien nötig, doch die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine Reihe von Patienten von Cannabis bzw. Cannabinoiden profitieren kann.
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Die Besserung von Symptomen durch extern zugeführte Cannabinoide weist darauf hin, dass möglicherweise ein Mangel an Liganden (Endocannabinoiden) an der Entstehung der Krankheit beteiligt oder sogar ursächlich ist.
Weitere Erkrankungen
Weitere Erkrankungen, bei denen ein Endocannabinoidmangel Syndrom an der Entstehung beteiligt sein könnte, ergeben sich auch Erkenntnissen, an welchen Prozessen das ECS beteiligt ist.
Multiple Sklerose
In Tiermodellen wurde eine Rolle des ECS in Multipler Sklerose festgestellt. Im Menschen weisen MS-Patienten signifikante Defizite an Anandamid und 2-AG auf.
Reiseübelkeit
Das ECS spielt eine entscheidende Rolle in der Entstehung von Reiseübelkeit bzw. Bewegungskrankheit. In einem Versuch entwickelten die Personen, die signifikant weniger Anandamid und 2-AG hatten, häufiger Reiseübelkeit.
Chorea Huntington
In einem Mausmodell für Chorea Huntington wurde eine weitreichende Störung des ECS gefunden. In postmortal analysierten Gehirnen von Huntingtonpatienten zeigte sich eine Reduktion an CB1-Rezeptoren.
Posttraumatisches Stresssyndrom
Tiermodelle haben zahlreiche Hinweise darauf ergeben, dass das ECS am Auslöschen traumatischer Erinnerungen und stressinduzierter Schmerzreduktion beteiligt ist. Zudem wurde gezeigt, dass stressinduzierte Angst direkt mit einem Anandamidmangel assoziiert ist. Auch im Menschen wurde eine Rolle des ECS im Zusammenhang mit posttraumatischem Stress gefunden.
Quellen:
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/migraene/was-ist-migraene/
Ethan B. Russo. Clinical Endocannabinoid Deficiency Reconsidered: Current Research Supports the Theory in Migraine, Fibromyalgia, Irritable Bowel, and Other Treatment-Resistant Syndromes. Cannabis Cannabinoid Res. 2016; 1(1): 154–165. Published online 2016 Jul 1. doi: 10.1089/can.2016.0009. PMCID: PMC5576607