Amazon hat angekündigt, die US-Versandapotheke PillPack aus Boston zu erwerben. PillPack konzentriert sich auf chronisch kranke Menschen, die täglich Medikamente benötigen. Der Anbieter liefert diese in patientenindividuellen Blistern, koordiniert aber auch die automatische Nachlieferung von Arzneimitteln, sollten Vorräte bei Patienten zur Neige gehen.
USA: Jetzt wird’s ernst
Damit macht Amazon wahr, was Analysten schon längst erwartet haben: den Sprung in Arzneimittelmärkte. Der Gigant baut jedoch keine eigene Versandapotheke auf, sondern übernimmt einen bestehenden Konzern. Die Transaktion soll nach Angaben von Amazon in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen werden.
Mit rund 100 Millionen Dollar Umsatz (2017) ist PillPack kein Gigant, hat aber offensichtlich Potenziale. „Wir sind gespannt, was wir im Laufe der Zeit gemeinsam für unsere Kunden tun können“, sagt Jeff Wilke, CEO des Bereichs Worldwide Consumer bei Amazon, in der Pressemeldung. Der Analyst Eric Coldwell erklärte gegenüber Bloomberg, dies sei „ein Frontalangriff“ auf die Gesundheitsbranche. Allein nach der Bekanntgabe, dass Amazon PillPack übernehmen wird, verloren die Aktien einiger großer US-Apothekenketten um acht bis zehn Prozent. Auch in Deutschland beobachtet man die geplante Übernahme kritisch. Ein Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände sagte: „Der Kauf von PillPack ist ein weiteres Indiz dafür, in welche Richtung Amazon geht.“
Welche Bedeutung Fragen zum Datenschutz beim Deal haben, sei laut Wall Street Journal (WSJ) noch unklar. Bekommt Amazon als ‚Mitgift’ alle Daten der Online-Apotheke? Im WSJ verweisen Experten auf den Health Insurance Portability and Accountability Act. Das Bundesgesetz verbietet, Gesundheitsdaten direkt für Werbezwecke einzusetzen. Der Gesundheitsmarkt ist im Hinblick auf Datentransfer somit strenger reguliert, als Amazon es bisher gewohnt ist.
Indien: Neuer Markt, neuer Deal?
Amazon äußerte sich bislang nicht zu den Fragen. Doch die Gerüchteküche brodelt weiter. Reuters zufolge will der Gigant auch indische Märkte erobern. Es gebe Gespräche mit MedPlus, einer Kette, die über 1.400 Filialen betreibe, heißt es weiter. Außerdem ist MedPlus als Online-Apotheke aktiv. Amazon kommentiert wie gewohnt solche Gerüchte nicht.
An den Plänen lässt sich nach einem Blick auf Analysen von Daily News and Analysis (DNA) India kaum zweifeln. Momentan spielen Versandapotheken in Indien keine große Rolle; etwa 99 Prozent der Arzneimittelversorgung läuft über Vor-Ort-Apotheken. Doch die Versorgung in ländlichen Gegenden ist schlecht. Experten erwarten, dass der Online-Anteil im Pharmamarkt bis 2025 auf zehn bis 15 Prozent anwächst. Mit einer bekannten Apothekenmarke vor Ort hätte Amazon mehr als einen Fuß in der Tür.