Nach einer Krebsdiagnose ist Sport wohl das Letzte, woran man denkt. Wie Studien zeigen, kann das Ausüben von sportlichen Aktivitäten jedoch die Therapie von Krebspatienten unterstützen und das Risiko, überhaupt an Krebs zu erkranken vermindern. Was genau löst Sport also im kranken Körper aus und welche Sportarten sind bei einer Krebserkrankung empfehlenswert?
Es ist allseits bekannt, dass Sport sich positiv auf Körper und Geist auswirkt. Wer körperlich aktiv ist, fühlt sich seltener erschöpft, ist beweglicher, verzichtet oft automatisch auf den übermäßigen Konsum von Alkohol oder Nikotin und ist zudem nachweislich leistungsfähiger.
Darüber hinaus kann Sport bei der Bewältigung von Krankheiten helfen und selbst Krebs vorbeugen. Nach Aussage des Nationalen Zentrums für Tumorerkrankungen Heidelberg, könnten etwa 15 % aller Krebsfälle in Europa durch hinreichende körperliche Aktivität vermieden werden. Während führende Gesundheitsexperten vermehrt auf Prävention durch Früherkennung und Diagnostik setzen, fanden Wissenschaftler nun heraus, dass Sport einen erheblichen Einfluss auf die körperliche Konstitution von Krebspatienten hat.
Sport als Unterstützung in der Krebstherapie
Auch nach Feststellung einer Krebsdiagnose, so sind sich Mediziner weltweit einig, profitieren Patienten davon, körperlich aktiv zu sein. Doch wie kann Sport Patienten mit Krebsleiden effektiv helfen? Der positive, tumorspezifische Effekt des Sports zeigt sich in seinem Einfluss auf Sexualhormone, antioxidative Wirkungen oder die Verbesserung von DNA-Reparaturmechanismen. Bei Frauen mit hormonabhängig wachsendem Brustkrebs senkt sportliche Aktivität beispielsweise den Östrogenspiegel in Blut und Gewebe – vergleichbar mit einer medikamentösen antihormonellen Therapie.
Durch Anregung des Stoffwechsels bei sportlicher Betätigung wird zudem die Kontaktzeit möglicher kanzerogener Stoffe in Magen und Darm verkürzt. Auch die Durchblutung des gesamten Körpers wird gefördert, was wiederum den Krebszellen das Überleben erschwert. Des Weiteren sind Krebszellen in ihrem Wachstum auf die Abbauprodukte von Glukose angewiesen, welche bei sportlicher Betätigung vermehrt verbraucht werden.
Sport kann aber auch indirekt wirken. Eine kanadische Studie aus dem Jahr 2017 untersuchte den Effekt von körperlichem Training auf die Nebenwirkungen von Chemotherapien. Dafür wurden Brustkrebspatientinnen im Stadium I-III dazu angehalten, 24 Stunden vor Beginn der Chemotherapie eine 30-minütige Bewegungseinheit zu absolvieren. Das Ergebnis: Die Patientinnen zeigten deutlich verbesserte Blutdruckwerte, eine weniger depressive Verstimmung und ein rückläufiges Schmerzempfinden im Rücken.
Interleukin-6 im Visier
Seit mehreren Jahren beschäftigen sich Forscher mit dem Rätsel der Autoimmunwirkung bei Krebserkrankungen im Zusammenhang mit sportlicher Aktivität. Erste Ansätze zur Klärung des Rätsels kommen nun aus Dänemark. Das Team um Line Pedersen und Pernille Hojman von der Universität Kopenhagen untersuchte die zugrundeliegenden Prozesse bei Mäusen verschiedener Tumorlinien. Die Forscher ließen mehrere an Lungen-, Haut-, oder Leberkrebs erkrankte Mäuse täglich Einheiten im Hamsterrad laufen und verglichen im Anschluss das Tumorwachstum mit der untrainierten Kontrollgruppe an Mäusen.
Die Mäuse legten hierbei durchschnittlich vier Kilometer pro Tag zurück. Die Auswertungen des Teams zeigten, dass bei den trainierten Mäusen bestimmte Gene, die für das Immunsystem und Entzündungsprozesse im Körper bedeutsam sind, aktiver waren. Im Anschluss untersuchten die Forscher, wie stark der jeweilige Tumor von Immunzellen durchsetzt war. Sie stellten fest, dass bei den Tieren, die über Wochen im Hamsterrad gelaufen sind, deutlich mehr natürliche Killerzellen (kurz NK-Zellen) den Tumor infiltriert hatten. Diese im Knochenmark entstehenden NK-Zellen, deren Aufgabe es ist, Tumor- und Virus-infizierte Zellen zu erkennen und abzutöten, können eine Minderung des Tumorwachstums hervorrufen.
Den Studienergebnissen zufolge wird bei körperlicher Anstrengung das Signalmolekül Interleukin-6 (IL-6) von den Muskeln verstärkt freigesetzt. Dieses hilft Immunzellen, aus dem Blutstrom zum Tumor zu gelangen. Eine künstliche Zufuhr des Signalmoleküls IL-6 allein habe jedoch kein vermindertes Tumorwachstum bewirkt.
Kritiker wie der Kölner Krebsmediziner Prof. Dr. Bloch warnen jedoch davor, dass die Studie des dänischen Forschungsteams ein stark vereinfachtes Schema aufzeige und hierbei viele Faktoren unberücksichtigt blieben. Seiner Ansicht nach sei der physiologische Mechanismus weit komplexer und die Verwendung eines Hamsterrades zur Darstellung körperlicher Aktivität nicht optimal gewählt.
Welche Sportarten sind förderlich?
Welche Sportarten sich tatsächlich für die Behandlung von Krebspatienten eignen, ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum empfiehlt die Teilnahme an individuell abgestimmten Bewegungsprogrammen und unterscheidet zwischen gemäßigten Aktivitäten (z.B. Walken, Wassergymnastik, Yoga) und intensiveren Aktivitäten (z.B. Joggen, schnelles Radfahren, Krafttraining, Tennis oder Fußball).
Vorsicht geboten
Ob und wie häufig Krebspatienten sich körperlich betätigen dürfen, hängt ganz von ihrem derzeitigen Gesundheitszustand ab. Haben Patienten aufgrund einer andauernden Chemotherapie Fieber, ein geschwächtes Immunsystem oder Gerinnungsstörungen, ist von körperlichen Aktivitäten abzuraten.
Auch die sinkende Zahl an Erythrozyten im Blut und der dadurch verminderte Sauerstofftransport im Blut können eine Kontraindikation darstellen. Einschränkungen gibt es zudem für Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung, Schmerzpatienten oder Patienten mit starker Muskelatrophie. Daher sind pauschale Empfehlungen für Krebspatienten nur mit Vorsicht auszusprechen.
Generell lässt sich sagen, dass die Entscheidung für eine Sporttherapie im Zuge einer Krebserkrankung immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen sollte. Die positiven Auswirkungen von Sport auf Körper und Geist sprechen jedoch dafür, dass individuell abgestimmte Bewegungsprogramme langfristig als fester Bestandteil in der Krebstherapie zu empfehlen sind.
Quellen:
http://cochranelibrary-wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD008796.pub3/full
https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/basis-informationen-krebs-allgemeine-informationen/sport-bei-krebs-so-wichtig-wie-.html
https://www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/iblatt/iblatt-bewegung-bei-nach-krebs.pdf
https://www.welt.de/gesundheit/article152342048/So-hilft-Sport-im-Kampf-gegen-den-Krebs.html
http://www.tumorzentrum-muenchen.de/fileadmin/user_upload/Broschuere_Sport_und_Krebs_NCT.pdf