Ihre Arbeit führte zu einem völlig neuen Ansatz in der Krebstherapie: Tasuku Honjo und James Allison teilen sich den diesjährigen Medizin-Nobelpreis. Sie fanden heraus, wie das eigene Immunsystem genutzt werden kann, um bösartige Krebszellen zu bekämpfen.
Seit mehr als 100 Jahren versuchen Ärzte, unser Immunsystem zu aktivieren, um selbst gegen entartete Zellen vorzugehen. Doch der große Erfolg stellte sich nicht ein. Tasuku Honjo von der Kyoto-University (Japan) und James Allison von der University of Texas (USA) machten unabhängig voneinander entscheidende Entdeckungen, wie das eigene Immunsystem genutzt werden kann, um bösartige Krebszellen zu zerstören. Und teilen sich aus diesem Grund den diesjährigen Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.
Sie fanden nicht nur molekulare Bremsen, die das Immunsystem von Krebspatienten in seiner Arbeit behindern. Ihnen gelang es auch, diese Bremsen zu lösen. „Durch die Stimulierung der Fähigkeit unseres Immunsystems, Tumorzellen anzugreifen, haben die diesjährigen Nobelpreisträger ein völlig neues Prinzip für die Krebstherapie etabliert“, schreibt das Nobelpreis-Komitee in einer Pressemeldung.
Zwei neue Targets
Damit es in unserem Körper nicht zu überschießenden Immunreaktionen kommt, gibt es mehrere Kontrollinstanzen. Allison entdeckte auf der Oberfläche von T-Zellen das Protein CTLA-4 (Cytotoxic T-Lymphocyte-Associated Protein 4). Es bremst deren Aktivität, indem die Signalübertragung unterbunden wird. Außerdem führt die Aktivierung von CTLA-4 zur Bildung immunsuppressiv wirksamer Zytokine. Gegenspieler ist CD28 als aktivierendes Oberflächenprotein. Im Tierexperiment zeigte Allison, wie sich CTLA-4 ausschalten lässt. Er transplantierte Tumore in Mäuse und gab ihnen Antikörper gegen die Oberflächenstruktur. Tatsächlich ging das maligne Gewebe zugrunde. Aber auch neu transplantierte Tumoren konnten nicht anwachsen. Wenige Jahre später bestätigte der Forscher in Phase-1-Studien, dass seine Strategie bei metastasierenden Melanomen und bei Ovarialkarzinomen funktioniert.
Honjo entdeckte zeitgleich eine andere Struktur, nämlich PD-1 (Programmed Cell Death Protein 1). Bindet PD-1 an den zugehörigen Liganden PD-L1 (Programmed cell death 1 ligand 1), kommt es zur Hemmung der Immunantwort in Monozyten. Dem Forscher fiel in Experimenten auf, dass PD-L1 zytotoxische T-Zellen davon abhält, körpereigenes Gewebe zu attackieren. Melanom- oder Darmkrebszellen weisen teilweise eine Überexpression von PD-L1 auf. Damit umgehen sie eine Immunantwort. Er bewertete sowohl PD-1 als auch PD-L1 als mögliche Zielstrukturen für die Onkologie.
Vom Labor auf den Markt
Aus den Erkenntnissen von Allison und Honjo ist eine Arzneistoffklasse entstanden, die schon seit einigen Jahren in der Krebstherapie genutzt wird: die Checkpoint-Inhibitoren. Dabei handelt es sich um Antikörper. Ipilimumab richtet sich gegen CTLA-4 und wurde bei fortgeschrittenen Melanomen zugelassen. Aufgrund seltener, aber heftiger Immunreaktionen ist eine Vorab-Risikobewertung durch den Onkologen erforderlich.
Nivolumab und Pembrolizumab blockieren PD-1, während Avelumab und Durvalumab PD-L1 stummschalten. PD-1- bzw. PD-L1- Antikörper kommen bei unterschiedlichen Tumoren der Haut, des Atemtrakts, des Kopf-Hals-Bereichs sowie des Urogenitaltrakts zu Einsatz. Teilweise handelt es sich um Second-Line-Therapien.
Innerhalb weniger Jahre sind Checkpoint-Inhibitoren zu einer wichtigen Säule der Krebstherapie geworden, die trotzdem mit Vorsicht einzusetzen sind. Aufsichtsbehörden fanden zuletzt Hinweise auf Nebenwirkungen wie Agranulozytosen und Panzytopenien.