Durchlässige Tumorbarrieren sind der häufigste Grund für Dickdarmkrebs. Das Molekül IRAK-M entpuppte sich nun als Auslöser für das Einwandern von Darmbakterien in Tumoren und die damit verbundenen Entzündungen. Als Marker könnte das Molekül für verbesserte Krebs-Prognosen sorgen.
Etwa 40.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Dickdarmkrebs, der häufigsten Form von Darmkrebs. Das Kolonkarzinom geht in den meisten Fällen aus Darmpolypen hervor. Bei etwa zwei Drittel der Dickdarmkarzinome tritt das Phänomen auf, dass die Barriere zum Darmlumen und somit zu den Darmbakterien durchlässig wird. Die Ursachen hierfür können bislang nur unzureichend erklärt werden. Ein Forscherteam um Professor Dr. Stefan Fichtner-Feigl und Dr. Rebecca Kesselring vom Universitätsklinikum Regensburg (UKR), konnte nun erstmals einen Wirkzusammenhang entdecken.
Die Ausgangshypothese, mit der die Wissenschaftler ihre Untersuchung begannen, lautete, dass IRAK-M, ein körpereigenes Kontrollmolekül des Immunsystems, eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Tumorbarriere spielt. Um dies zu überprüfen, untersuchte die Forschergruppe Gewebeproben von rund 600 Tumoren. Die Ergebnisse ihrer Analyse widersprachen aber der Initialhypothese. Gewebeproben von Dickdarmkarzinomen mit einem hohen IRAK-M-Gehalt, wiesen gleichzeitig eine durchlässige Tumorbarriere auf. Tumorgewebe, in dem IRAK-M nachgewiesen werden kann, weist eine Durchlässigkeit für Bakterien auf (links). Durch die poröse Barriere können Darmbakterien in den Tumor einwandern. Sie lösen Entzündungsreaktionen aus, die den Tumor zum Wachstum anregen. „Als Fazit konnten wir zeigen, dass Kolonkarzinome, die durch ein Vorkommen von IRAK-M charakterisiert waren, sich durch ein geringeres Absterben von Tumorzellen und ein generell schnelleres Wachstum auszeichneten. Für die betroffenen Patienten bedeutete dies eine signifikant schlechtere Prognose“, führt Fichtner-Feigl aus.
Die gewonnen Erkenntnisse bringen die Wissenschaft ein Stück weiter. IRAK-M wurde als Molekül identifiziert, das mit der Instabilität der Tumorbarriere zusammenhängt. Künftig kann es daher als Marker verwendet werden. „Eine Analyse des Tumorgewebes auf IRAK-M kann in Zukunft Auskunft über die Prognose des einzelnen Patienten geben. So können Therapie und Nachkontrolle spezifisch angepasst werden“, erläutert Dr. Kesselring. Außerdem ergibt sich die Option, die Funktion von IRAK-M im Tumor zu unterbinden. So könnte die Prognose für die betroffenen Patienten verbessert werden. Hierzu schließen sich nun weitere Forschungsarbeiten an. Originalpublikation: IRAK-M Expression in Tumor Cells Supports Colorectal Cancer Progression through Reduction of Antimicrobial Defense and Stabilization of STAT3 Rebecca Kesselring et al.; Cancer Cell, doi: 10.1016/j.ccell.2016.03.014; 2016