Was am 03.07.2017 auf der A9 bei Münchberg passiert ist, haben wahrscheinlich alle mitbekommen. Unweigerlich machen wir uns viele Gedanken, wenn wir die Berichterstattung über ein Ereignis dieser Art verfolgen. Die Reaktionen dazu können von kompletter Gleichgültigkeit bis zu tiefer Betroffenheit reichen.
Ein so tragischer Unfall ist sicherlich sehr selten und es müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit eine solche Katastrophe überhaupt entstehen kann. Für mich stellt sich dennoch immer die Frage, was wir aus solchen Situationen für zukünftige Schadenereignisse lernen können.
Wenn ein Patient in unserem Krankenhaus stirbt, dann fragen wir uns jedes Mal: Was hätte besser laufen können? Wenn ich als Notarzt einen wirklich kranken Patienten behandelt habe – ein Polytrauma, eine Reanimation o.ä. –, dann setzen wir uns nach der Übergabe des Patienten zusammen und bereden das Ereignis. Es kommt jeder zu Wort, es darf jeder sagen, an welchen Stellen wir richtig gut waren, aber wir überlegen auch, was wir noch besser hätten machen können. Ob man das jetzt Debriefing nennt oder Leichenschnaps oder Traumabewältigung. Reden ist wichtig, das Reden darüber entlastet, nimmt Druck von der Seele.
Das lief auf der A9 schlecht: Die Bildung einer Rettungsgasse
Diese Zeilen schreibe ich aber aus einem ganz besonderen Grund. Die Frauen und Männer der freiwilligen (!) Feuerwehr von Münchberg, Gefrees, Helmbrechts und Fleisnitz und die weiteren unzähligen Helfer vor Ort haben einen riesigen Job gemacht und bezahlen mit ihrer Gesundheit für unsere Sicherheit. Auch in diesem Szenario wird es Dinge gegeben haben, die sehr, sehr gut gelaufen sind (beispielsweise eine unfassbar kurze Hilfsfrist!), aber auch Dinge die eher suboptimal gelaufen sind.
Wir können mit den Gerätschaften trainieren, Arbeitsabläufe optimieren, unsere Fähigkeiten verbessern. Was wir vom Rettungsdienst nicht durch Training verbessern können, ist die Bildung einer ausreichend breiten und durchgehenden Rettungsgasse. Und so berichteten die Helfer, die zu dem Busunfall auf der A9 eilen wollten, übereinstimmend von massive Probleme bei der Bildung einer Rettungsgasse. Diese Probleme gab es schon immer, gefühlt ist es in den letzten Jahren aber schlimmer geworden.
Wir können helfen – wenn man uns lässt
Wir sind dafür ausgebildet, Menschen zu retten, Feuer zu löschen und Schmerzen zu lindern. Das können wir aber nur, wenn wir auch zeitig genug vor Ort sind. Als Notarzt im Notarzteinsatzfahrzeug erleben wir es immer wieder, dass trotz eingeschaltetem Sondersignal andere Verkehrsteilnehmer verversuchen, noch eben schnell links abzubiegen oder noch schnell über die Kreuzung zu sausen. Wofür? Für drei Sekunden Zeitgewinn? Damit ich zehn Meter weiter an der nächsten roten Ampel eingeholt werde?
Oft wird dann gesagt, dass es ja jeden von uns treffen könne und dann würden wir uns ja auch wünschen, dass die Hilfe schnell da ist. Warum denn nur so herum? Reicht es nicht aus, zu wissen, dass da irgendwo ein Großvater, ein Fünfjähriger, ein x-beliebiger Mensch in Not ist?
Unser Rettungshubschrauber musste kürzlich eine Außenlandung abbrechen, weil Fotos und Videos vom landenden Hubschrauber gemacht wurden und die Leute nicht weiter weggingen, sondern immer näher an den Hubschrauber herankamen. Die Crew musste 800 m weiter landen und wurde von der Polizei dann sekundär dem Notfallort zugeführt.
Es geht nicht immer um dich!
Wann verstehen wir endlich, dass nicht immer nur das Ich-ich-ich zählt sondern, dass es uns allen besser ginge, wenn wir Rücksicht nehmen und mal zurückstecken würden. Einen Gang runter schalten, anderen den Vortritt lassen. Wie wäre es, wenn wir Fußgänger mal über die Straße gehen ließen, auch wenn mal kein Zebrastreifen da ist. Die zehn Sekunden, die ich dadurch verliere, kann ich problemlos bei den täglichen 42 Minuten Facebook abknapsen.
Wann raffen es Autofahrer endlich, dass eine Rettungsgasse vorsorglich gebildet werden muss, damit der Rettungsdienst zügig durchfahren kann und nicht erst wenn das Tanklöschfahrzeug hupend hinter einem steht. Dann ist es zu spät für die Rettungsgasse!
Ich könnte mich in Rage tippen. Lassen wir das.
Es ist kein Spiel: