Ein Patient, 28 J., m., kommt mit Schulterluxation (habituell) und Notarzt in die Ambulanz des kleinen Krankenhaus am Rande des Universums und wird unfallchirurgisch vorgestellt. Der NA wurde zur Schmerztherapie hinzugerufen und entschied sich für 0,1 mg Fentanyl.
Fentanylwird immer pur aufgezogen. Zumindest im Umkreis von 50 km, im Rettungsdienst, im OP, in der Anästhesie, überall. 1 ml sind 0,1mg. Der Patient hat also 0,1m g vom Zauberwasser bekommen und hat immer noch Pinne. Was würdet ihr machen?
Also ich hätte mich für nochmal 0,1 mg Fentanyl entschieden, davon wird ein junger Mensch nicht atemdepressiv. Wenn ich sehe, dass der Notarzt 1 ml aus der Spritze gegeben hat (also 0,1 mg) und noch 4 ml drin sind (also 0,4 mg!) kann ich, ohne das Präparat zu kennen, davon ausgehen, dass es ordentlich reinknallt. Ich kenne die Wirkung von Fentanyl und auch die unerwünschten Nebenwirkungen. Wenn ich diese NICHT kenne, was mache ich dann? Eben, entweder ich lasse es sein und nehme etwas anderes oder ich frage jemanden, der sich damit auskennt.
Und zack, der Patient wird blau
Orthopädischerseits wurde die Risikovariante genommen: ganzer Mensch, ganze Ampulle – ZACK – Rest der Spritze rein in den guten Mann. So soll es geschehen. 0,5 mg Fentanyl, die Schmerzen waren weg, das Bewusstsein des Patienten auch. Patient wurde blau, Notarzt war schon längst weg, der unfallchrirugische Kollege überfordert, die Ambulanzschwester löst den Rea-Alarm aus. Der Patient hatte (noch) einen guten Puls, wurde problemlos und umgehend intubiert und ein wenig beatmet, alles nochmal gut gegangen.
Opiate: Man benutze sie nur, wenn man sich auskennt
Man, man, man ... und jetzt würde man ja wahrscheinlich zurecht sagen, dass Opiate eben nur einsetzen sollte, wer auch mit den Nebenwirkungen umgehen kann und zumindest ein wenig von der Dosierung versteht. Aber immerhin war es erst der zweite Patient, den ich gesehen habe, der nach Opiatgabe wirklich mal unbeabsichtigt ateminsuffizient wurde.
Ich schimpfe immer mit unseren Internisten, die ihre blitzeblauen, hochspastischen, exazerbierten COPDler mit 2 mg Morphin subcutan (sic!) auf die Intensiv karren. „Das macht ja so atemdepressiv!“ Vielleicht sollte der unfallchirurgische Kollege sich mal mit dem gemeinen Internisten zusammensetzen, da käme eine passable Mischung bei raus.