„Der Darm übernimmt eine wichtige Barrierefunktion, damit möglichst keine schädlichen Organismen und Substanzen diese Bastion überwinden“, sagt Prof. Dr. Irmgard Förster, die den Zusammenhang zwischen Immunologie und Umwelt erforscht. Das Immunsystem im Darm muss ständig austariert werden. Schießt die Immunreaktion über, kann es zu gefährlichen Entzündungen – zum Beispiel einer
Kolitis – bis hin zum lebensbedrohlichen septischen Schock kommen. In dieser Feinjustierung des Immunsystems im Darm spielt der „Ah-Rezeptor“ (Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor) eine wichtige Rolle.
Ah-Rezeptor und sein Repressor steuern gemeinsam die Immunantwort Der Ah-Rezeptor hat einen Gegenspieler: den Ah-Rezeptor-Repressor, der die Wirkung des Ah-Rezeptors teilweise hemmt. „Gemeinsam sorgen beide dafür, dass es zu einer angepassten Immunantwort kommt“, sagt Privatdozentin Dr. Heike Weighardt aus dem Team von Prof. Förster. Die Funktionsweise des Ah-Rezeptor-Repressors war bislang weitgehend unbekannt. Zusammen mit Wissenschaftlern des IUF Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf und der Waseda-Universität in Tokio (Japan) hat das Team aus Bonn nun erforscht, wie das Zusammenspiel des Ah-Rezeptors und des Repressors funktioniert. Das Wissenschaftlerteam ersetzte bei Mäusen das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor durch eines für ein grün fluoreszierendes Protein. „Immer dann, wenn eigentlich das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor aktiv werden sollte, leuchtete das fluoreszierende Protein“, sagt Oliver Schanz von der Universität Bonn, einer der Erstautoren der Studie. Es erwies sich, dass der Repressor in den Immunzellen des Darms immer dann besonders aktiv war, wenn auch der Ah-Rezeptor auf Hochtouren arbeitete. „Unsere Daten zeigen, dass für eine ausgewogene Immunantwort beide Gegenspieler erforderlich sind“, sagt Prof. Förster.
Der Ah-Rezeptor-Repressor erhöht die Gefahr eines septischen Schocks Schießt das Immunsystem über, dann droht ein lebensbedrohlicher
septischer Schock durch Kreislaufversagen und Organschädigung. Das Forscherteam schaltete bei Mäusen das Gen für den Ah-Rezeptor-Repressor stumm, die Tiere waren
daraufhin vor einem solchen gefährlichen Schock geschützt. Dagegen führte eine Fehlfunktion des Ah-Rezeptor-Repressors wie auch des Ah-Rezeptors selbst zu einer erhöhten Empfindlichkeit für chronische Darmentzündungen. Beide Antagonisten wirken auf die Produktion von immunstimulierenden Substanzen ein, darunter zum Beispiel Interleukin-1beta oder Gamma-Interferon. Die Studie zeigt laut den Wissenschaftlern, dass die Ernährung einen großen Einfluss auf das Immunsystem haben kann. Wenn Gemüse – wie zum Beispiel Broccoli – viele Substanzen enthält, die an den Ah-Rezeptor binden und damit den dazugehörenden Repressor aktivieren, dann stabilisiert dies möglicherweise das Immunsystem im Darm. „Inwieweit die modellhaft an Tieren untersuchten Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, muss noch weitergehend erforscht werden“, sagt Prof. Förster.
Originalpublikation: Balancing intestinal and systemic inflammation through cell type-specific expression of the aryl hydrocarbon receptor repressor Oliver Schanz et al.;
Scientific Reports, doi: 10.1038/srep26091; 2016