Ein millionenschwerer Fall von Abrechnungsbetrug sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Medien ergreifen die Gunst der Stunde, um Apotheker einmal mehr die Schandmaske überzustülpen. Stopfen sich alle Kollegen ihre Taschen voll?
Eine Ärztin, ihr Lebensgefährte und ein Apotheker haben nach aktuellem Kenntnisstand in den letzten Monaten 1,6 Millionen Euro erbeutet, berichtet die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Das Trio arbeitete immer nach der gleichen Masche: Die Ärztin suchte aus ihrer Kartei passende Patienten heraus und verschrieb ihnen hochpreisige Pharmaka auf Kassenrezept. Alle Verordnungen gingen zum ebenfalls involvierten Apotheker, der teure Pharmaka abrechnete, jedoch nicht abgab. Dafür erhielt der Lebensgefährte preisgünstige, aber interessante Medikamente zum Verkauf im Ausland. Gegen zwei Verdächtige wird ermittelt; die Ärztin hat sich ins Ausland abgesetzt. Zumindest gelang es, alle Beweise zu sichern.
Um abtrünnigen Health Professionals das Handwerk zu legen, haben Staatsanwälte aufgerüstet. Mittlerweile stehen eigens entwickelte Software-Lösungen an ihrer Seite. Damit vergleichen sie den Wareneingang und die vom Kassensystem erfassten Medikamente. Ansonsten entgeht ihnen womöglich so mancher Gauner, wie folgender Fall zeigt. Ein anderer Apotheker hatte Hochpreiser vom Großhandel angefordert, um Lieferscheine vorzuweisen. Anschließend retournierte er die Präparate. Gauner, wohin das Auge reicht?
„Pharmazeuten schädigen nach Erhebungen von gesetzlichen Krankenkassen das Gesundheitssystem finanziell stärker als alle anderen Berufsgruppen“, schreibt beispielsweise die Welt. „Allein die Korruptionsbekämpfer der KKH Kaufmännischen Krankenkasse haben 2015 eine knappe halbe Million Euro von Apothekern zurückgefordert – fast doppelt so viel wie von Pflegediensten, der Berufsgruppe mit dem zweithöchsten Wert.“ Das Blatt spricht von bundesweiten „Betrügereien durch Apotheker in Höhe von 16 Millionen Euro“. Abrechnungsbetrug ist in den Augen vieler Laien mit Retaxationen gleichzusetzen – daran sollten Apotheker denken, wenn sie das nächste Mal Patienten ihr Präparat trotz Problemen beim Rabattvertrag ihr Präparat gleich mitgeben.
Jenseits aller Polemik bleiben grundlegende Probleme unangetastet. „Arzneirezepte sind der letzte Bar-Scheck in unserer Gesellschaft“, sagt Professor Dr. Gerd Glaeske, Bremen. Bis wann ein digitaler Workflow von der Verschreibung bis zur Abgabe für mehr Sicherheit sorgen wird, ist unklar. Zum E-Rezept auf der elektronischen Gesundheitskarte liegen aktuell keine Planungsdetails vor.