Beim Darmkrebsscreening pfeift der Wind jetzt aus einem anderen Loch: Ab Oktober sollen quantitative immunologische Tests (iFOBT) zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl eingesetzt werden. Doch die Einführung bringt auch den ein oder anderen Makel mit sich.
„Die Tests auf verborgenes Blut im Stuhl werden weiterhin einen wichtigen Bestandteil der Früherkennung von Darmkrebs darstellen. Daher wären wir gut beraten, die immunologischen Tests auch in Deutschland in das Krebsfrüherkennungsangebot aufzunehmen. Damit könnten deutlich mehr Menschen einen lebensrettenden Hinweis auf eine verborgene Krebserkrankung erhalten“, hatte der Epidemiologe Prof. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg bereits 2013 gefordert. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat nun die Einführung des neuen immunologischen Screening-Testverfahrens in der Primärprävention des kolorektalen Karzinoms (KRK) beschlossen und kommt damit den Empfehlungen der Europäischen Leitlinien zur Qualitätssicherung von Krebsfrüherkennungsprogrammen nach. Der neue Test gilt als sensitiver und ist in vielen anderen Ländern bereits Standard. Ab 01. Oktober 2016 werden die Kosten von den Krankenversicherungen übernommen. Eine Spur Skepsis ist dennoch angebracht, denn mit dem neuen Verfahren droht ein hoher Bürokratieaufwand. Sehen Ärzte und Labormediziner jetzt rot?
Der ideale Test zur Früherkennung des KRK erfasst sowohl Darmkrebsvorstufen, die Adenome, als auch die Karzinome selbst, die hierdurch möglichst rasch einer Therapie zugeführt werden sollen. Ziel ist wie bei jeder Primärprävention, die karzinom-bedingte Morbidität und Mortalität zu senken. Bisher wurde okkultes Blut im Stuhl mittels Guajak-Test nachgewiesen. Befindet sich Blut in der Stuhlprobe, so reagiert das Hämoglobin mit dem zugesetzten Wasserstoffperoxid und das Testfeld verfärbt sich blau. Diese qualitative Nachweismethode ist zwar günstig und einfach durchzuführen, hat aber auch gleich mehrere Haken. So gilt der Test als zu ungenau, vor allem bei der Erkennung von Krebsvorstufen. Außerdem wird jegliches Hämoglobin detektiert und nicht nur humanes. Mögen wir unser Steak „english“, kann uns so unser Dinner schnell ein positives Testergebnis bescheren. Mit Vorsicht zu genießen sind auch Testergebnisse, die nach dem Verzehr von Lebensmitteln mit erhöhter Peroxidase-Aktivität erhoben werden. Obacht gilt also beispielsweise auch bei dem Genuss von Meerrettich, der mitunter zu falsch-positiven Resultaten führt. Vitamin C hingegen verhindert die Guajak-Reaktion und kann so Blut im Stuhl maskieren. Trotz dieser Nachteile ist der gFOBT dennoch ein effektives Mittel im Primärscreening des KRK. In verschiedenen kontrolliert randomisierten Studien konnte eine Reduktion der KRK-assoziierten Mortalität von 15–33 % festgestellt werden. Die immunologischen Tests hingegen bleiben von unserer Ernährung gänzlich unbeeindruckt. Mit speziellen Antikörpern weisen sie ausschließlich humanes Hämoglobin nach. Grundsätzlich gibt es bei den immunologischen Tests qualitative und quantitative Messmethoden. Mittels qualitativer Methoden erfolgt der Nachweis, ob Blut in der Stuhlprobe enthalten ist. Die Menge an Hämoglobin spielt eine untergeordnete Rolle. Bei den quantitativen Nachweisverfahren hingegen wird eine Hämoglobinkonzentration (Cut-off) festgelegt, ab der der Test positiv ausfällt. Der iFOBT scheint ebenso wie der gFOBT als Screening-Methode geeignet zu sein: Er erwies sich in Studien hinsichtlich der Prävention fortgeschrittener KRK, der Reduktion tödlicher KRK sowie der Entdeckung präkanzeröser Läsionen als effektiv. Hinsichtlich der Testgüte von gFOBT und iFOBT gilt der iFOBT insgesamt als deutlich überlegen: „So können die immunologischen Tests dazu beitragen, dass Menschen nach einem positiven Ergebnis eine Darmspiegelung wahrnehmen und damit viel gezielter diejenigen Personen an der Untersuchung teilnehmen, bei denen tatsächlich Darmkrebsvorstufen vorliegen“, erklärte der Epidemiologe Brenner.
Der G-BA hatte den Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen e.V. (MDS) beauftragt, den Nutzen und die diagnostische Güte der iFOBT im Vergleich zu den bisherigen gFOBT im Primärscreening auf Darmkrebs zu untersuchen. Mit dem Beschluss folgt der G-BA nun den Empfehlungen des MDS. Laut dem geänderten §39 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie soll die Testung auf okkultes Blut im Stuhl bald anhand eines quantitativen immunologischen Tests (iFOBT) vorgenommen werden. Dies hat auch den Hintergrund, dass iFOBT mittels Analysegeräten automatisch ausgewertet werden können. So können eine hohe Durchlaufrate und eine hohe Standardisierbarkeit realisiert werden, was populationsbezogene Aussagen zum Thema Darmkrebs und Qualitätskontrollen ermöglichen soll. Der G-BA kommt somit der EU-Forderung nach, organisierte Früherkennungsprogramme zu etablieren. Hier stolpert der aufmerksame Beobachter aber bereits über ein kleines Problemchen: Spezielle Analysegeräte für die Auswertung von immunologischen Stuhltests sind in der herkömmlichen Hausarztpraxis bis dato relativ rar. Die Stuhlproben müssen also in ein geeignetes Labor überführt werden. Entsprechend muss der Transport von Praxen und Laboren koordiniert werden. Neben dem zusätzlichen Aufwand ist aber vor allem problematisch, dass das Hämoglobin bei Raumtemperatur instabil ist. Für den Guajak-Test existieren geeignete Pufferlösungen, so dass die Stuhlprobe bis zu 14 Tagen bei Raumtemperatur haltbar ist. Der G-BA schreibt diesbezüglich vor, dass das Stuhlprobenentnahmesystem des verwendeten iFOBT eine Stabilisierung der Probe über mindestens fünf Tage bei Raumtemperatur gewährleisten muss. Allerdings erlaubten laut MDS-Studie nur einige wenige iFOBT eine Lagerung von bis zu drei Tagen bei Raumtemperatur. Die meiste Zeit müssten die Proben gekühlt gelagert werden. Insbesondere an warmen Tagen drohten andernfalls falsch-negative Ergebnisse. Einen weiteren Knackpunkt stellt die stark variierende Testgüte der momentan auf dem Markt erhältlichen iFOBT dar. Der G-BA begegnet dem Problem in der Form, dass er für die verwendeten Tests eine Sensitivität von mindestens 25 % und eine Spezifität von mindestens 90 % fordert. Einige iFOBT zeigen eine sehr geringe Spezifität, was eine sehr hohe Rate an Abklärungs-Koloskopien und somit ein unnötiges Interventionsrisiko sowie hohe Kosten zur Folge hätte. Mit der Änderung der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie wird aber nicht alles in eine neue Spur gebracht. Nach wie vor gilt die Koloskopie als wichtigste Screening-Methode für das KRK, die erstmals ab dem 55. Lebensjahr durchgeführt werden sollte – und auch dann erst von den Kassen getragen wird. Zehn Jahre nach der ersten Koloskopie sollte eine zweite folgen. Auf die Tests zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl besteht weiterhin jährlich ab dem 50. bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres Anspruch.
Die Einführung des iFOBT hat zudem einen hohen bürokratischen Aufwand im Schlepptau: Im Beschluss des G-BA ist vorgesehen, dass die am Krebsfrüherkennungsprogramm teilnehmenden Ärzte „ein System der Qualitätssicherung etabliert haben und sich regelmäßig an geeigneten externen Qualitätssicherungsmaßnahmen (…) beteiligen“. Außerdem sind „die den Test durchführenden Vertragsärzte in den medizinischen Laboratorien verpflichtet, die Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Tests in Quartalsberichten zusammenzustellen und mit der Quartalsabrechnung der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu übermitteln“. Andernfalls können die Tests nicht abgerechnet werden. Der Mehraufwand an Arbeit bedeutet natürlich auch einen höheren finanziellen Aufwand. Durch die Einführung der iFOBT ist insgesamt mit jährlichen Bürokratiekosten von knapp unter 1 Mio. € zu rechnen. Auf Ärzte und Labore sollen jedoch laut G-BA keine neuen Kosten zukommen.
Während der G-BA scheinbar keinen besonders großen Drang verspürt und sich mit der Einführung des iFOBT merklich Zeit lässt, bahnt sich ein anderer, sehr genauer Stuhlproben-Tests seinen Weg als mögliche und effektive Alternative: Der DNA-basierte Stuhltest. Er zeigte in mehreren klinischen Studien eine sehr viel höhere Sensitivität als der iFOBT und spürte KRK wesentlich zuverlässiger auf. Vor allem Krebsvorstufen wurden deutlich sensitiver erfasst. In einer 2014 im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie wies der DNA-basierte Stuhltest Darmkrebs und seine Vorstufen mit einer Sensitivität von 92,3 % nach. Im Vergleich dazu betrug die Sensitivität des verwendeten iFOBT lediglich 73,8 %. Seit 2015 sind die DNA-basierten Stuhltests daher als alternative Screening-Methode in den USA genehmigt. Entscheidender Vorteil einer solch hohen Sensitivität: Eine Testung muss nicht - wie bei den weniger sensitiven Methoden iFOBT und gFOBT - jährlich stattfinden. Die American Cancer Society empfiehlt einen DNA-basierten Stuhltest alle drei Jahre als Screening durchzuführen. Dadurch könnte die geringe Adhärenz gegenüber Darmkrebs-Screening-Methoden erheblich verbessert werden: In den USA gelten 42 % der Bevölkerung, die eigentlich an einem Darmkrebs-Screening teilnehmen sollten, als "ungescreent". Nicht-invasive Screening-Methoden, die zudem auch noch besonders sensitiv sind, könnten also potenziell mehr gefährdete Menschen erreichen - und so Morbidität und Mortalität effektiv senken. Allerdings gibt es auch diese vielversprechende Alternative nicht umsonst. DNA-basierte Tests sind sehr teuer und außerdem mit einer geringeren Spezifität behaftet. Mehr falsch-positive Ergebnisse wären die Folge. Da der ideale Test in der Praxis nicht existiert, muss mit der Einführung der quantitativen immunologischen Tests zum Nachweis von okkultem Blut im Stuhl auch der ein oder andere Makel in Kauf genommen werden. Falls die Karzinom-Inzidenz nun in den Sommermonaten in den Keller fällt, sollte uns das jedenfalls stutzig machen: Hat der neue Screening-Test einfach mehr Krebsvorstufen aufgedeckt und viele vor dem Karzinom bewahrt oder sind die positiven Proben auf dem Weg zum Labor der Hitzeinstabilität des Hämoglobins anheimgefallen? Das bleibt abzuwarten – zumal der Test ja erst im Oktober eingeführt wird.