Flibanserin galt bereits bei seiner Zulassung durch die FDA als äußerst umstritten. Jetzt haben Wissenschaftler Ergebnisse einer Metaanalyse vorgelegt. Sie kommen zu einem vernichtenden Urteil und raten Frauen ab, das Präparat zu verwenden.
Start mit Pannen: Flibanserin kommt ursprünglich aus den Labors von Boehringer Ingelheim. Das Molekül wirkt als Agonist am Serotonin-Rezeptor 5-HT1A und als Antagonist an 5-HT2A. In zwei relevanten Studien zeigte sich keine Verbesserung des Sexualverlangens gegenüber Placebo. Experten der US Food and Drug Administration (FDA) kritisierten neben fehlenden Beweisen für die Wirksamkeit vor allem die schlechte Verträglichkeit. Schließlich übernahm Sprout Pharmaceuticals die Weiterentwicklung – und erhielt Mitte 2015 eine FDA-Zulassung. Kurz darauf wurde Sprout von Valeant übernommen. Der kanadische Konzern hoffte auf ähnliche Erfolge wie seinerzeit Pfizer mit Sildenafil.
Jetzt hat Loes Jaspers von der Universität in Rotterdam zusammen mit Kollegen die Ergebnisse einer umfassenden Metaanalyse veröffentlicht. Er fand acht Studien. Trotz ihres randomisierten, placebokontrollierten und doppelblinden Designs hält Jaspers einen Bias durch Ärzte für möglich; er stuft die Qualität als „sehr gering“ ein. Vor der Therapie hatten Frauen im Schnitt 2,5 befriedigende sexuelle Erfahrungen (satisfying sexual events, SSE) pro Monat. Die Intensität des sexuellen Verlangens lag bei 11,1 von 84 möglichen Punkten auf dem eDiary desire-Score, und beim Verlangen gibt Jaspers 1,8 an, gemessen mit dem Female Sexual Function Index (FSFI). Hier sind maximal 6,0 Zähler möglich. Erhielten Probandinnen 100 Milligramm Flibanserin pro Tag, erhöhte sich die Zahl an SSE um 0,49 und das sexuelle Verlangen um 1,63 Punkte. Die Unterschiede erwiesen sich als signifikant gegenüber Placebo, aber nicht unbedingt als relevant für den Alltag.
Zeitgleich kam es zu etlichen Nebenwirkungen unter Flibanserin (29,9 bis 36,5 Prozent), verglichen mit Placebo (12,7 bis 15,8 Prozent). Besonders häufig traten Schwindel, Somnolenz und Übelkeit auf. Loes Jaspers spricht deshalb von einem „marginalen Nutzen“ bei etlichen unerwünschten Effekten. „Bevor Flibanserin in Leitlinien und in der klinischen Praxis empfohlen werden kann, sollten Studien mit Frauen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt werden“, lautet seine Forderung. Dazu gehören Patientinnen mit Komorbiditäten, mit anderen Pharmakotherapien, aber auch mit Menopausen aufgrund von Eingriffen.