Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das eine Belastung für die Hinterbliebenen. Das wirkt sich auch auf die Herzgesundheit der Trauernden aus: Eine aktuelle Studie zeigt, dass ein Jahr nach dem Tod des Partners das Risiko für Vorhofflimmern deutlich erhöht ist.
Extreme psychische Belastungen wie der Tod eines nahestehenden Menschen sind mit einem erhöhten Risiko für akute Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfälle verbunden. So ergab eine Studie kürzlich, dass sich bei über 60-Jährigen das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, in den ersten 30 Tagen nach dem Tod des Partners verdoppelt. Weiterhin wurden nach dem Verlust des Partners Veränderungen des Blutdrucks und der Blutgerinnung beobachtet. Nun hat eine groß angelegt dänische Studie erstmals untersucht, wie sich der Tod des Partners auf das Risiko für Vorhofflimmern auswirkt. Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen in der westlichen Welt: Das Lebenszeitrisiko liegt bei 22 bis 26 Prozent. Bei dieser Erkrankung sind die Herzvorhöfe schnell und ungeordnet aktiv – und zwar entweder vorübergehend oder dauerhaft. Vorhofflimmern ist mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle, Herzversagen und Tod verbunden. Am häufigsten berichten die Patienten über Beschwerden wie Müdigkeit, einen plötzlichen Leistungsknick, Herzklopfen (Palpitationen) und Schlafstörungen. Allerdings werden 70 Prozent der Vorhofflimmern-Attacken von den Betroffenen gar nicht bemerkt. Das Team um Simon Graff von der dänischen Aarhus Universität verwendete die Daten aus dänischen Gesundheitsregistern aus den Jahren 1995 bis 2014. Darin identifiziertendie Forscher 88.612 Patienten, die zum ersten Mal die Diagnose „Vorhofflimmern“ erhalten hatten. Von ihnen hatten 17.478 den Tod ihres Partners erlebt. „Ein solches Ereignis führt oft zu deutlich ausgeprägten psychischen Symptomen wie Ängsten, Depressionen, Schuldgefühlen oder Hoffnungslosigkeit“, erläutern die Autoren. Dabei ist die psychische Belastung nach einem Todesfall nicht nur kurzfristig, sondern hält oft über Wochen und Monate an.
Im Vergleich mit einer entsprechenden Kontrollgruppe war das Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten, die ihren Partner verloren hatten, bis zu ein Jahr nach dem Todesfall erhöht. Dabei war das Risiko in den ersten acht bis vierzehn Tagen am höchsten und ging dann allmählich wieder zurück. In den ersten 30 Tagen nach dem Tod des Partners war die Gefahr, an Vorhofflimmern zu leiden, im Vergleich zur Kontrollgruppe um 41 Prozent erhöht. „Besonders hoch war das Risiko bei Menschen unter 60 Jahren und denjenigen, deren Partner im Monat vor dem Tod noch relativ gesund war und unerwartet gestorben ist“, berichten Graff und sein Team. Die Zusammenhänge blieben auch dann bestehen, wenn der Einfluss weiterer Faktoren wie Geschlecht, Vorerkrankungen wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten statistisch berücksichtigt worden war. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine starke Stressbelastung das Risiko erhöht, erstmals an Vorhofflimmern zu erkranken“, schreiben die Autoren. Allerdings sei die Studie rein beobachtend. Weitere Untersuchungen müssten daher noch belegen, dass der Tod des Partners tatsächlich die Ursache des Vorhofflimmern sei. Bisherige Studien haben bereits gezeigt, dass emotionaler Stress bei Menschen, die unter anfallsartigem Vorhofflimmern leiden, Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Zudem legen Fallberichte nahe, dass dies auch bei Menschen ohne Vorhofflimmern in der Vorgeschichte der Fall sein kann.
Als nächstes sei es wichtig, die Mechanismen aufzuklären, die den Zusammenhang zwischen Verlust des Partners und Vorhofflimmern erklären können, betonen Graff und sein Team. Bisher ist bekannt, dass starker Stress pathophysiologische Veränderungen auslösen kann, die das Herz anfälliger für Rhythmusstörungen machen können: Dazu gehört ein geringerer Einfluss parasympathischer Aktivität sowie eine erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems. Der Parasymathicus trägt im Normalfall dazu bei, die Herzrate und die Erregbarkeit des Herzens zu reduzieren, während das sympathische Nervensystem Herztätigkeit und Blutdruck erhöht. Weiterhin könnten diese Veränderungen zu einem vermehrten Auftreten proinflammatorischer Zytokine führen, die Entzündungsprozesse auslösen können. Daneben kann es nach einem Todesfall auch zu Veränderungen der Lebensführung kommen: So schlafen die Betroffenen möglicherweise schlechter, trinken mehr Alkohol, ernähren sich ungesünder, bewegen sich weniger oder rauchen mehr. Außerdem könnte es sein, dass jemand nach einem Todesfall seine Medikamente nicht oder unregelmäßig einnimmt. All das könnte das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen, vermuten Graff und sein Team.
Die zukünftige Forschung sollte außerdem versuchen, Risikogruppen zu identifizieren, die bei starkem Stress zu Vorhofflimmern neigen – und solche, die bei Vorhofflimmern besonders in Gefahr sind, Folgeerkrankungen zu entwickeln. So zeigt eine aktuelle Metaanalyse, dass Frauen mit Vorhofflimmern ein deutlich höheres Risiko haben, Schlaganfälle, kardiovaskuläre Erkrankungen und Herzversagen zu erleiden als Männer. Außerdem war ihr Sterberisiko deutlich höher als das der männlichen Vergleichspersonen. Um zu verhindern, dass Trauer den Betroffenen „das Herz bricht“, sei es wichtig, die psychologischen und sozialen Faktoren genauer zu verstehen, die zu Herzerkrankungen führen können, schreiben Graff und sein Team. Dann sei es auch möglich, Maßnahmen zu entwickeln, um das Risiko für Vorhofflimmern bei Trauernden effektiv zu reduzieren. Dies sei vor allem in den ersten Wochen nach dem Tod wichtig, in denen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen am höchsten sei, schreiben Thomas Buckley und sein Team von der Universität Sidney in einem Review-Artikel [Paywall]. Insbesondere soziale Unterstützung könnte in dieser Zeit ein wichtiger Schutzfaktor sein, um die extreme psychische Belastung abzumildern. „Gleichzeitig sollten sich Menschen in Gesundheitsberufen des erhöhten Risikos für Herzerkrankungen bei Trauernden bewusst sein und die Betroffenen engmaschig beobachten“, so Buckley und sein Team. Originalpublikation: Long-term risk of atrial fibrillation after the death of a partner Simon Graff1 et al.; Open Heart, doi:10.1136/openhrt-2015-000367; 2016