Die Zahl an privaten Einrichtungen, an denen junge Menschen Medizin studieren können, wächst von Jahr zu Jahr. Mediziner, aber auch Hochschullehrer, fordern jetzt einheitliche Akkreditierungsverfahren. Sie haben Angst, dass sich sonst der „Dr. med. light“ etabliert.
Österreich ist alarmiert: In Tirol soll ein neuer privater Medizinstudiengang entstehen. Zusammen mit einflussreichen Landesvertretern arbeiten die Universität Innsbruck und die Privat-Uni Umit an einem entsprechenden Konzept. Investoren versuchen zeitgleich, im niederösterreichischen Baden eine private Medizin-Universität zu etablieren.
Prof. Dr. Markus Müller © Matern/Medizinische Universität Wien „Mit diesen beiden Einrichtungen hätten wir zehn Anbieter von Medizinstudien in Österreich“, sagt Professor Dr. med. Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien. Seine Sorge: In Österreich liege die Messlatte zur Akkreditierung „so niedrig, dass es international nicht salonfähig ist“. Hier könne ein „Dr. med. light“ entstehen; die Medizin werde „entakademisiert und auf Berufsschulniveau degradiert“. Mit Standards ist es nicht weit her. „Wir haben uns schon über die Akkreditierung mancher Privat-Unis gewundert“, so Müller weiter. Seine Worte stoßen auch in Deutschland auf Gehör. Die Themen sind für Standesvertreter keinesfalls neu.
Bei uns können angehende Ärzte an 36 medizinischen Fakultäten studieren. Neben staatlich getragenen Angeboten wächst die Zahl unterschiedlicher Angebote im Bereich der nichtstaatlichen Medizinerausbildung rapide. Dazu gehören die Universität Witten/Herdecke, die Medizinische Hochschule Brandenburg, die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU), die Kassel School of Medicine, die Asklepios Medical School in Hamburg oder der Studiengang Humanmedizin in Pécs/Bielefeld. Private Institutionen wählen Studierende nicht über die ZVS aus, sondern haben selbst Zulassungsverfahren entwickelt. Genaue Statistiken, wie viele Bewerber tatsächlich abgelehnt werden, gibt es nicht. Das führte in regelmäßigen Abständen zum Vorwurf, man könne sich einen Studienplatz erkaufen. „Ich werde Arzt, zur Not gegen Geld“, schrieb beispielsweise „Spiegel online“ über den PMU-Standort Nürnberg. Hochschullehrer stören sich ebenfalls an unterschiedlichen Standards. Jetzt hat der Wissenschaftsrat Eckpunkte zur Qualität und Qualitätssicherung für private Bildungseinrichtungen veröffentlicht.
Prof. Dr. Manfred Prenzel, TU München und Vorsitzender des Wissenschaftsrates. © Eckert / Heddergott TU München Als wichtigste Unterschiede sehen Experten nicht nur Auswahl und Zulassung. Sie fordern, die Medizinerausbildung müsse universitären Ansprüchen genügen. Dazu gehören zentrale Säulen wie Lehre, Forschung und Krankenversorgung. Als Voraussetzung erwähnt der Wissenschaftsrat Kliniken, die „trotz allen ökonomischen Drucks der Krankenversorgung bereit sind, Lehre und Forschung einen herausgehobenen Stellenwert einzuräumen“. Die Einrichtungen bilden im Idealfall ein breites Spektrum an medizinischen Fächern und Versorgungsleistungen ab – sowohl in der Maximal-, der Grund- als auch der Regelversorgung. Mindestens die Hälfte aller Lehrveranstaltungen sollte von hauptberuflichen Professoren mit Forschungshintergrund geleistet werden, die ausreichende Freiräume für akademische Aufgaben benötigen. Österreich hat damit keine guten Erfahrungen gemacht. Privatunis versuchen, staatlichen Hochschulen Personal abzuwerben. Mittlerweile ist von einer vertraglichen Konkurrenzklausel die Rede. Jenseits aller Ressourcen bleibt ein Blick auf Inhalte. Der Wissenschaftsrat hätte deshalb gerne eine verpflichtende Akkreditierung aller Angebote nach deutschem Recht. Bei europäischer Verankerung kommt nur ein freiwilliges Procedere infrage, wobei allen Bundesländern noch Möglichkeiten der Intervention bleiben. „Mittel- bis langfristig wären konkretere, einheitliche europäische Standards, ein europäischer Kriterienkatalog für die Medizinerausbildung, verankert in der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, wünschenswert“, so Professor Dr. Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrates. Er sieht trotz allem „Chancen der nichtstaatlichen Angebote, insbesondere in der innovativen Gestaltung von Curricula und in der gezielten Auswahl von Studierenden“.
Rückendeckung erhalten Hochschullehrer von Ärzten. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sieht zwar „gewisse Chancen für eine reformierte Medizinerausbildung in neuen Studiengängen an nicht staatlichen Institutionen“. Allerdings hätten sich auch deutsche medizinische Fakultäten nicht lumpen lassen. Hier verweisen AWMF-Experten auf Regelstudiengänge beziehungsweise Modellstudiengänge, in denen es gelungen sei, wissenschaftliche und praxisnahe Inhalte besser zu integrieren. Dazu gehören beispielsweise HeiCuMed (das Heidelberger Curriculum Medicinale), MeCuM (Ludwig-Maximilians-Universität München) oder das frühere Bochumer Modell (Ruhr-Universität Bochum). Bleibt als Kritik: „Ein besonderes Innovationspotenzial der nichtstaatlichen Anbieter ist der AWMF nicht ersichtlich.“ Gleichzeitig bestünden „erhebliche Risiken für die gewünschten Effekte und die wissenschaftliche Ausbildung der Medizinstudierenden in evidenzbasierter Medizin“. Für künftige Reformen ergeben sich deshalb mehrere Schwerpunkte. Dazu gehören sowohl die Zulassung als auch die Qualitätssicherung.