Kristallines Cholesterin ruft heftige Immunreaktionen hervor und führt so zu Entzündungen in den Arterien. Nun zeigte sich im Mausmodell, dass der ringförmige Zucker „Cyclodextrin“ einen Abtransport des überschüssigen Cholesterins fördert und Ablagerungen so verhindern kann.
Bei der seltenen Erkrankung „Niemann Pick Type C“ führen Genmutationen dazu, dass der Cholesterintransport in den Zellen nicht richtig funktioniert. Bei den Betroffenen kommt es nach anfänglich normaler Entwicklung bereits im Kindesalter zur rapiden Verschlechterung der neurologischen Funktion mit kognitiven und motorischen Behinderungen. Bis dato gab es für „Niemann Pick C“ keine Therapie. Nun laufen in den USA klinische Studien für eine neuartige Therapie mit dem ringförmigen Zucker „Cyclodextrin“, der zu einem besseren Abtransport von überschüssigem Cholesterin aus den Gehirnzellen führt.
Wie kristallines Cholesterin massive Immunreaktionen hervorruft und zu lebensgefährlichen Entzündungen in Arterienwänden führt, erforscht Prof. Dr. Eicke Latz vom Institut für Angeborene Immunität der Universität Bonn. Zum Zusammenhang von Arteriosklerose und Immunsystem zeigte das Forscherteam bereits 2010, dass Cholesterin-Kristalle einen wichtigen Rezeptorkomplex des angeborenen Immunsystems aktivieren können und damit die Entzündungsreaktion in der Arteriosklerose verstärken. Die Wissenschaftler untersuchten, ob Cyclodextrin auch bei Arteriosklerose eine Wirkung zeigt. Sie verabreichten Mäusen acht Wochen eine besonders cholesterinreiche Ernährung und spritzten den Tieren Cyclodextrin unter die Haut. „Sie waren weit weniger von Plaques in ihren Blutgefäßen betroffen, als eine Kontrollgruppe, die kein Cyclodextrin bekam“, sagt Dr. Sebastian Zimmer vom Universitätsklinikum Bonn. Offensichtlich programmiert der ringförmige Zucker die Zellen auf eine Weise um, die zu einem besseren Abtransport von überschüssigem, kristallinem Cholesterin und zugleich zu einem Abklingen der Entzündung in den Blutgefäßen führt.
Der Transkriptionsfaktor „Leber-X-Rezeptor“ (LXR) ist ein Schlüsselregulator des Cholesterinmetabolismus und spielt daher im Zusammenhang mit Arteriosklerose eine wichtige Rolle. „Ist zu viel Cholesterin vorhanden, gibt LXR ein Signal. Daraufhin werden Gene aktiviert, die für den Abtransport in der Zelle zuständig sind“, berichtet Alena Grebe, Doktorandin im Team von Prof. Latz. „Außerdem reguliert dieser Faktor Entzündungen herunter.“ Wurde bei Mäusen das Gen für LXR stumm geschaltet, funktionierte diese Signalkette nicht und Cyclodextrin zeigte keine Wirkung. Der ringförmige Zucker übernimmt offensichtlich die Rolle eines Vermittlers, der die natürlichen Mechanismen des Cholesterinabbaus in den Zellen verstärkt und zusätzlich die Entzündungsreaktion vermindert. Das Team untersuchte auch an menschlichen arteriosklerotischen Gefäßen, ob Cyclodextrin die gleiche Wirkung hat wie bei Mäusen. Die Forscher kultivierten Plaques, die aus den Halsschlagadern von Arteriosklerose-Patienten operativ entfernt wurden, um deren Blutdurchfluss zu verbessern. Wurde in die Nährlösung Cyclodextrin gemischt, zeigten die Zellen die gleiche Umprogrammierung wie die der Nager: Die Mechanismen zur Rückbildung der Plaques sprangen an und die entzündliche Reaktion klang ab. Originalpublikation: Cyclodextrin promotes atherosclerosis regression via macrophage reprogramming Sebastian Zimmer et al.; Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.aad6100; 2016