Querschnittslähmungen kann man bislang nicht heilen. Umso spannender sind die Ergebnisse zweier Forscherteams, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurden: Darin berichten die Autoren von ersten Behandlungserfolgen – nicht nur bei Affen, auch bei Menschen.
Querschnittslähmungen führen trotz aller Fortschritte der Medizin immer noch zu dauerhaften Behinderungen, eine Heilung ist bislang nicht möglich. Pro Jahr kommen in Deutschland 1.800 Patienten neu hinzu. Auslöser sind nicht nur Traumata, sondern auch Grunderkrankungen wie Tumoren oder Bandscheibenvorfälle. Ziel von Forschern ist es, Rückenmarksverletzungen zu reparieren. Dabei ist einer Forschergruppe vor wenigen Tagen ein kleiner Durchbruch gelungen.
Forschern der UC San Diego School of Medicine stellten vor wenigen Tagen die Ergebnisse einer klinischen Phase I-Studie vor. Erik Curtis, Joseph D. Ciacci und Kollegen rekrutierten vier Patienten mit bleibender Schädigung ihres Rückenmarks in den Regionen T2 bis T12. Ihre Studienteilnehmer erhielten sechs Injektionen mit jeweils 1,2 Millionen neuralen Stammzellen. Alle Probanden tolerierten das Verfahren gut, und es gab bisher keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse. Die Analyse motorischer und sensorischer Funktion sowie elektrophysiologischen Messungen zeigte Verbesserungen bei drei der vier Teilnehmer. Welche klinische Relevanz die Effekte haben, bleibt offen. Ciacci beobachtete seine Probanden maximal 27 Monate. „Der Hauptzweck dieser ersten Studie war es, die Sicherheit zu bewerten. Und bei keinem der Patienten wurden Komplikationen im Zusammenhang mit dem Eingriff beobachtet“, sagt Ciacci. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Ansatz sicher durchgeführt werden kann und frühe Anzeichen für eine Wirksamkeit weitere Explorations- und Dosiseskalationsstudien rechtfertigen.“ Zuvor hatte Ciacci Stammzellen erfolgreich in Ratten mit Rückenmarksverletzungen transplantiert. Es kam zu Regenerationsvorgängen. Die Versuchstiere wurden durch den Eingriff mobiler.
Forscher der Uni Peking unter Leitung von Jia-Sheng Rao verfolgen eine andere Strategie. Das Team präsentierte letzte Woche ihre Ergebnisse. Die Wissenschaftler gingen wie folgt vor: Auf Basis von Chitosan, einem Polysaccharid aus Chitin von Krebstieren, haben sie ein System zur langsamen Freisetzung biologisch aktiver Komponenten entwickelt. Die Forscher verknüpften in diesem System Chitosan mit Neurotrophin 3 (NT3), einem Wachstumsfaktor. Sie lösen als Signalstoffe gerichtete Verbindungen zwischen einzelnen Nervenzellen aus. Das Chitosan-System ermöglichte es, NT3 über 14 Wochen hinweg gezielt freizusetzen. Im Experiment brachte Rao das Chitosan-NT3-System in das teilweise durchtrennte Rückenmark von erwachsenen Rhesusaffen ein. Aus vorangehenden Studien an Nagetieren war bereits bekannt, dass Neurotrophin 3 Entzündungen unterdrückt. Gleichzeitig wanderten neurale Stammzellen ein, vermehrten sich, differenzierten und bildeten neuronale Netzwerke, um Signale zu übertragen. Diese Ergebnisse traten bei den Rhesusaffen ebenfalls auf, was die Wissenschaftler über bildgebende Verfahren und über Funktionstests zeigen konnten. Affen mit kleineren Wirbelsäulenverletzungen zeigten nach der Behandlung ein besseres Laufverhalten. „Diese Studie mit nichtmenschlichen Primaten stellt einen wesentlichen Fortschritt bei der Übersetzung unserer ersten Studie mit Nagern in die Humantherapie dar“, heißt es im Paper.
Beide Veröffentlichungen zeigen, dass es möglich ist, regenerative Prozesse durch externe Faktoren anzustoßen. Die Therapien erwiesen sich im Intervall mehrerer Monate als sicher und wirksam. Auch wenn diese neuen Erkenntnisse ein medizinischer Erfolg sind: Noch ist es für große Hoffnungen zu früh. Denn es ist nicht sichergestellt, dass die Regeneration des Rückenmarks mit Stammzellen oder Wachstumsfaktoren auch langfristig sicher ist. Zudem ist unklar, ob Patienten in klinisch relevantem Maße davon profitieren und sich tatsächlich ihre Lebensqualität verbessern würde. Weitere Forschung ist deshalb dringend nötig.