Profitieren ältere Patienten von einer Pharmakoprophylaxe mit Antihypertensiva und Lipidsenkern? Daran scheiden sich seit Jahren wissenschaftliche Geister. Seit das Thema 2003 erstmals hochkochte, ist es nicht gelungen, durchschlagende Erfolge nachzuweisen.
Im Jahr 2003 sorgte eine Publikation von Nicholas Wald, Gründer des Wolfson Institute of Preventive Medicine in London, für Schlagzeilen. Er spielte mit dem Gedanken, allen Menschen jenseits des 55. Lebensjahres ohne weiteres Screening Polypillen zu verordnen. Walds Präparate sollten ein Statin, drei Antihypertensiva, Folsäure und Acetylsalicylsäure enthalten, teils in niedriger Dosierung. Damit könne man die Lebenserwartung um elf Jahre steigern, folgerte der Wissenschaftler aus verschiedenen Veröffentlichungen. Kollegen äußerten Zweifel am Konzept.
Mark D. Huffman aus Chicago ließ das Thema keine Ruhe. Im Rahmen einer Metaanalyse hat der Forscher neun Phase-II-Studien mit 7.047 Personen ausgewertet. Die Arbeiten mussten Fixkombinationen mindestens eines Lipidsenkers und eines Antihypertensivums erhalten, verglichen mit Einzelpräparaten oder Placebo. Huffman zufolge verringerte sich der systolischen Blutdruck über alle Studien um 7,05 mmHg, was durchaus als beachtlicher Effekt zu sehen ist. Schlechter sah es beim Gesamtcholesterin aus (minus 0,75 mmol/l). Aussagen zu Folsäure oder ASS waren bei maximal 15-monatiger Studiendauer nicht möglich. Ob Polypillen tatsächlich Effekte zeigen, wie sie Nicholas Wald proklamiert hat, bleibt offen. Nebenwirkungen führten zu 55 Therapieabbrüchen pro 1.000 Personen, unter Placebo waren es 25.
Kanadische Forscher konzentrierten sich jetzt auf Antihypertensiva plus Lipidsenker. Unterstützung erhielten sie von AstraZeneca. Im Unterschied zu früheren Arbeiten rekrutierten sie allerdings Frauen ab 65 Jahren und Männer ab 55 Jahren mit bekannten Risikofaktoren. Dazu gehörten leicht erhöhte Blutzuckerwerte, erhöhte BMI-Werte, niedrige HDL-Cholesterin-Werte oder genetische Risiken. Teilnehmer erhielten randomisiert Rosuvastatin, Candesartan plus Hydrochlorothiazid, eine Kombination dieser Pharmaka oder Placebo. Als primären Endpunkt wählten Forscher tödliche Herz-Kreislauf-Ereignisse, nicht tödlichen Myokardinfarkte und nicht tödliche Schlaganfälle. Unter Statinen waren 3,7 Prozent aller Teilnehmer betroffen, unter Placebo 4,8 Prozent: ein signifikanter Unterschied. Antihypertensiva oder Antihypertensiva plus Statin erbrachten keinen Mehrwert. Bleibt als Fazit: Durchschlagende Argumente für die Polypille gibt es bislang nicht.