Bei Hautkrebs ist eine exakte Diagnose entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung. Die Bündelung des medizinischen Wissens mehrerer Dermatologen kann die Diagnosegenauigkeit erhöhen. Schwarmintelligenz könnte künftig auch helfen, die Fehlerquote zu senken.
Forscher der Medizinischen Universität Graz suchen nach neuen Methoden, um die Diagnosegenauigkeit bei „hellem Hautkrebs“ zu erhöhen. Sie möchten zukünftig die kollektive Intelligenz von Experten bündeln.
Eindeutige Diagnose schützt vor Folgeschäden
Weitaus häufiger als Melanome sind Basaliome und Plattenepithelkarzinome, die sich zwar selten gefährlich entwickeln aber dennoch frühzeitig entfernt werden müssen, da sie das Gewebe zerstören. „Während das Melanom, wenn es nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird, Metastasen entwickeln kann, kommt es beim hellen Hautkrebs kaum zu einer Metastasenbildung. Dennoch ist die frühe Diagnose des hellen Hautkrebs genauso wichtig, da dieser ins Gewebe einwachsen und somit wichtige anatomische Strukturen wie zB. das Auge, die Nase oder Ohren zerstören kann“, erklärt Dr. Iris Zalaudek von der Med Uni Graz. Die richtige Diagnose von Hautkrebs kann gelegentlich schwierig sein, vor allem weil eine Vielzahl von gutartigen anderen Hauttumoren oder entzündlichen Hautläsionen in die Differentialdiagnose fallen. Ihr Forscherteam beschäftigte sich mit der Entwicklung einer Methode, um die Diagnosegenauigkeit von Hautkrebs zu erhöhen, damit Hautkrebs auch in Zukunft so früh wie möglich und eindeutig erkannt werden kann.
Ausschlaggebend für die Einteilung der Hautkrebsarten sind die Zellen, aus denen sich die Tumoren entwickeln. „Die unterschiedlichen Formen von Hautkrebs, darunter auch seltene Formen, erschweren Medizinern oftmals die eindeutige Diagnose“, so Zalaudek. Zwar sind meist Personen ab dem Alter von 60 Jahren betroffen, Hautkrebs kann aber auch wesentlich früher entstehen, weshalb regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen ab dem 35. Lebensjahr unerlässlich sind. Als Methode zur Steigerung der Diagnosegenauigkeit wurde die „Kollektive Intelligenz“ herangezogen, mit welcher gleich mehrere medizinische Entscheidungen zusammengefasst werden. Das auch als Gruppen- oder Schwarmintelligenz bekannte Phänomen findet aus verschiedenen individuellen Handlungen und Entscheidungen eine einzige, für die Gruppe ideale, Lösung.
Impuls für die Zukunft
Im Rahmen der Studie wurden zwei große, voneinander unabhängige Datensätze herangezogen. „Der erste Datensatz bestand aus den Ergebnissen von 40 erfahrenen Dermatologen, die unbeeinflusst 180 Bilder von Hautläsionen auswerteten. Der zweite Datensatz bestand aus den Ergebnissen von 82 medizinischen Fachpersonen mit unterschiedlichem Grad an dermatologischer Erfahrung, wobei jede und jeder Einzelne ein Minimum von 110 Bildern mit Hautläsionen beurteilte“, stellt Zalaudek dar. Die Bewertung der Hautläsionsbilder, die hochauflösend und mit entsprechenden histopathologischen Informationen bereitgestellt wurden, erfolgte über das Internet. Insgesamt gaben Dermatologen und das medizinische Fachpersonal 16.029 Bewertungen von Hautläsionen ab. Die Entscheidungen des medizinischen Personals wurden im Anschluss überprüft.
Die Studienergebnisse zeigen, dass mit erhöhter Gruppengröße auch die Genauigkeit der Diagnose zunimmt. Gleichzeitig konnte auch die Anzahl an Fehlentscheidungen deutlich reduziert werden. Somit könnte die Kollektive Intelligenz auch in Zukunft ein zielführender Ansatz sein, um die Diagnosegenauigkeit bei Hautkrebs zu erhöhen und so die Mortalität dieser Erkrankung zu senken. Zumal Patienten im Regelfall meist nur ein bis zwei fachärztliche Meinungen einholen, wird damit ein wichtiger Beitrag für das Gesundheitswesen aufgezeigt. Angesichts der Zunahme an Neuerkrankungen bei Hautkrebs ist der Kooperationsgedanke in der Medizin positiv zu bewerten und die Chance, dass medizinisches Wissen auf diese Art gebündelt wird, zukunftsweisend. Das Wissen, dass eine Gruppe von Experten eine bessere Diagnose als der einzelne Arzt stellt, kann neue Wege im Bereich der Telemedizinischen Diagnostik zeigen. So sollten in Zukunft Bilder an eine Expertengruppe geschickt werden, die eine kollektive Diagnose stellt. „Dieser Ansatz beschränkt sich dabei nicht nur auf die Dermatologie, sondern kann auch in der Radiologie und bei anderen diagnostischen bis hin zu therapeutischen Verfahren zukunftsweisend sein“, blickt Zalaudek in die Zukunft.
Originalpublikation:
Detection Accuracy of Collective Intelligence Assessments for Skin Cancer Diagnosis. Ralf H. J. M. Kurvers et al.; JAMA Dermatology, doi: 10.1001/jamadermatol.2015.3149; 2016