Um Störungen wie Tumorbildungen zu vermeiden, muss die Stammzellaktivität exakt reguliert werden. Im Drosophila-Modell zeigte sich, dass die Steuerung der Stammzellen über den Hippo-Signalweg läuft. Das Effektorprotein „Yorkie“ fungiert hierbei als entscheidender Schalter.
In Zeiten von Entwicklung und Wachstum oder auch für regenerative Zwecke sorgen Stammzellen für Nachschub und können beachtliche Mengen an Tochterzellen bilden. Störungen in diesem Ablauf wiederum können zu Tumorbildung oder einer verfrühten Erschöpfung des Stammzellreservoirs führen. „Das heißt also, die Aktivität von Stammzellen muss den Anforderungen entsprechend sehr genau reguliert werden. Wenn keine Zellvermehrung notwendig ist, bleiben die Stammzellen in der Ruhephase“, erklärt Dr. Christian Berger vom Institut für Genetik der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.
Seiner Arbeitsgruppe ist nun der Nachweis gelungen, wie in neuralen Stammzellen von Drosophila diese Ruhephase aufrechterhalten wird: Proteininteraktionen zwischen Nischenzellen und Stammzellen aktivieren den Hippo-Signalweg, wodurch Wachstum und Zellteilung abgeschaltet werden bzw. abgeschaltet bleiben. „Die Ruhephase muss also aktiv hergestellt und aktiv aufrechterhalten werden“, erläutert Berger. Die Funktion des Hippo-Signalwegs, der bei den einfachsten Organismen ebenso anzutreffen ist wie beim Menschen, war für Gewebe wie beispielsweise die Leber bereits bekannt, jedoch nicht für neurale Stammzellen im Zentralnervensystem. Die Untersuchungen erfolgten an Drosophila-Larven. Sie verfügen direkt nach dem Schlüpfen über ein Nervensystem, in dem sich die Stammzellen zu diesem Zeitpunkt natürlicherweise in der Ruhephase befinden. Nimmt die Larve in ihrer weiteren Entwicklung Nahrung zu sich, werden die Stammzellen aktiviert und beginnen zu wachsen. Als erstes konnten die Forscher beobachten, dass das Wachstum früher einsetzt, wenn sie den Hippo-Signalweg zu früh ausschalten, er also die Ruhephase nicht mehr aufrechterhalten kann.
In einem weiteren Schritt machten sie zwei Oberflächenproteine aus, die auf den neuralen Stammzellen und den sie umgebenden Nischenzellen sitzen und zwischen den Zellen interagieren. Wenn die Wissenschaftler nun diese Oberflächenproteine von den glialen Nischenzellen entfernen, beginnen die Stammzellen zu wachsen und bilden verfrüht neue Nachkommenzellen. In der normalen Entwicklung wird genau dies durch die Nahrungsaufnahme reguliert: Beginnen die Larven zu fressen, sind die beiden Oberflächenproteine „Crumbs“ und „Echinoid“ etwa zehn Stunden später auf den Nischenzellen abgeschaltet und das Wachstum der Stammzellen beginnt. Neurale Stammzellen (rot) interagieren mit ihren Nischenzellen (grün), um in der Ruhephase zu verbleiben. © AG Berger Der letzte Schalter in dieser langen Reihe von Signalabfolgen ist ein Effektorprotein, Yorkie genannt. Yorkie ist der entscheidende Faktor am Ende des Hippo-Signalwegs, der über Beginn von Reaktivierung, Wachstum und Teilung der Stammzellen entscheidet. „Unsere Untersuchungen an Drosophila zeigen in einzelnen Punkten frappierende Ähnlichkeit mit Erkenntnissen über die Regulation von Ruhephasen bei Säugetieren, sodass man darüber spekulieren kann, ob der Hippo-Signalweg in neuralen Stammzellen von Wirbeltieren wie Wirbellosen gleichermaßen funktioniert“, erklärt der Erstautor der Studie, Rouven Ding. Die Ergebnisse könnten nicht zuletzt für die Hirntumorforschung von Bedeutung sein, zumal Komponenten des Hippo-Signalwegs wie Neurofibromin 2 eine bekannte Rolle in der Entstehung von Hirntumoren spielen. Originalpublikation: The Hippo signalling pathway maintains quiescence in Drosophila neural stem cells Rouven Ding et al.; Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms10510; 2016