Nierensteine treten gerade bei Kindern und Jugendlichen auffällig häufig auf, Tendenz steigend. Woran liegt das? Forscher des Childrens Hospital of Philadelphia untersuchten nun in einer Fall-Kontroll-Studie die möglichen Gründe dafür – und wurden fündig.
Nierensteine traten in den letzten Jahrzehnten immer häufiger auf. Besonders bei Kindern und Teenagern ist diese Tendenz auffällig. So zeigt eine aktuelle Studie aus Island, dass die Inzidenz einer Erkrankung durch Nierensteine bei isländischen Kindern in der Zeit zwischen 1995 und 2004 von 3,7 auf 11,0 pro 100.000 angestiegen ist. In der Zeit zwischen 2010 und 2013 folgte dann ein leichter Rückgang von 11,0 auf 8,7 pro 100.000. Besonders weibliche Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren waren von dem Phänomen betroffen. Hier verzeichneten die Forscher von 1985 bis 2013 einen Anstieg von 9,8 auf 39,2 pro 100.000. Der Grund für diese Entwicklung blieb aber bisher unbekannt.
Eine neue Studie des Childrens Hospital of Philadelphia liefert nun vielleicht eine Antwort. In dieser Studie untersuchten die Wissenschaftler vom Health Improvement Network gespeicherte Patientendaten aus den Jahren 1994 bis 2015. Dabei wurden Daten von 25.891 Patienten mit Nephrolithiasis mit Daten von Vergleichspatienten ohne Nierensteine verglichen. Die Patienten der Vergleichsgruppe hatten das gleiche Geschlecht sowie Alter und wurden in denselben Arztpraxen behandelt. Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Assoziation zwischen erfolgter oraler Antibiotikatherapie und dem Auftreten von Nierensteinen. Besonders für fünf häufig verschriebene Antibiotikaklassen zeigte sich im Rahmen der Studie eine deutlich erhöhte Odds Ratio. Drei bis vier Monate nach der Verschreibung dieser Präparate durch den Hausarzt, traten verstärkt Nierensteine auf. Zu den betroffenen Antibiotikaklassen zählen orale Sulfonamide mit einer Odds Ratio von 2,33 (95% Konfidenzintervall 2,19 - 2,48), Cephalosporine mit 1,88 (1,75-2,01), Fluorchinolone mit 1,67 (1,54-1,81), Nitrofurantoin mit 1,7 (1,55-1,88) und Breitspektrumpenicilline mit einer Odds Ratio von 1,27 (1,18-1,36). Nach Einnahme von oralen Sulfonamiden litten die Patienten im Nachhinein doppelt so häufig an Nierensteinen wie Patienten ohne Antibiotikatherapie. Besonders bei Kindern liegt das Risiko einer Bildung von Nierensteinen nach Antibiotikatherapie laut Studie sehr hoch. Zwar nimmt dieses Risiko nach erfolgter Therapie mit der Zeit wieder ab, bleibt jedoch bis zu drei bis fünf Jahre erhöht.
Glaubt man den Ergebnissen der Studie, so lässt sich die Zunahme von Nierensteinen in den letzten Jahrzehnten mit dem verstärkten Einsatz von Antibiotika in der Praxis erklären. Häufig erfolgt die Verschreibung der Medikamente in der Hausarztpraxis ohne das zuvor eine mikrobiologische Untersuchung durchgeführt oder in Auftrag gegeben wird. Besonders bei Kindern wird aus Sicherheitsgründen bei einem Infekt oft sofort zum Antibiotikum gegriffen. So werden beispielsweise Atemwegsinfektionen in der Pädiatrie häufig ohne bakterielle Genese mit Antibiotika behandelt. Dieses Verfahren erhöht allerdings nicht nur das Risiko einer Nephrolithiasis, sondern sorgt auch für eine verstärkte Resistenzbildung der Bakterien. Außerdem setzt es den Patienten unerwünschten Risiken und Nebenwirkungen aus. So kann der unsachgemäße Einsatz unter anderem zu Darmproblemen, wie Übelkeit und Erbrechen oder zu allergischen Reaktionen führen. Auch schwere Nebenwirkungen, wie ein akutes Leberversagen, sind möglich. Zwar sind die Studienergebnisse kein gänzlicher Beweis für den Zusammenhang zwischen Antibiotikatherapie und dem Auftreten von Nierensteinen, die Zahlen geben aber einen Hinweis auf eine mögliche Assoziation. Die Gründe für einen möglichen Zusammenhang sind noch nicht geklärt. Im Rahmen dieses neuen Risikos der Antibiotikatherapie sollten – besonders im Hinblick auf die Behandlung von Kindern – das Risiko und der Nutzen einer Therapie im Einzelfall genau abgewogen werden.