Durch schädliche Aggregationen kommt es bei Morbus Parkinson zum Absterben von Nervenzellen und kognitiven Defiziten. Koffein kann dieser Entwicklung offenbar entgegenwirken: So konnte es die Sterblichkeit von Nervenzellen, die α-Synuklein ausgesetzt waren, herabsetzen.
Aktuelle Therapien bei Morbus Parkinson konzentrieren sich ausschließlich auf die Linderung der Symptome, wie die für diese Erkrankung typischen motorischen Begleiterscheinungen. Eine Behandlung der Ursachen gibt es nach wie vor nicht. Auffällig kurze Schritte, schlurfender Gang, erstarrte Mimik oder Zittern der Hände machen die Parkinson-Krankheit in einem frühen Stadium sichtbar. Ursächlich für diese Symptome ist das Absterben Dopamin-produzierender Nervenzellen in einer speziellen Region des Mittelhirns, der Substantia nigra. Mit fortschreitender Erkrankung treten jedoch häufig auch kognitive Defizite und Demenzen auf. Neuere Studien belegen, dass dies auf das Absterben von Nervenzellen in anderen Hirnregionen zurückzuführen ist. Besondere Hoffnung liegt daher in der Entwicklung geeigneter Therapieansätze, die unbeschädigte Nervenzellen schützen oder die Regeneration von Nervenzellen fördern. Wissenschaftler des Göttinger Exzellenzclusters und des DFG-Forschungszentrums für Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns (CNMPB) der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) legen nun in Kooperation mit Kollegen vom Institut für Molekulare Medizin (IMM) in Lissabon neue Belege dafür vor, dass Koffein und koffeinähnliche Substanzen eine schützende Wirkung auf Nervenzellen im Parkinson-Modell haben. Die Erkenntnisse der Forscher eröffnen neue Einblicke in die grundlegenden Mechanismen der Parkinson-Erkrankung, insbesondere derjenigen Mechanismen, die mit der Entwicklung von Erinnerungs- und kognitiven Defiziten in Verbindung stehen.
Das Forscherteam um Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, Leiter der Abteilung Neurodegeneration und Restaurationsforschung an der Universitätsmedizin Göttingen, setzt genau an diesem Punkt mit seinen Untersuchungen an. Dass Koffein und koffeinähnliche Substanzen an Adenosin-A2A-Rezeptoren binden und sie blockieren, war bekannt. Die Wissenschaftler untersuchten die Adenosin-A2A-Rezeptor-abhängige Wirkung von Koffein und verwandten Substanzen auf die durch α-Synuklein verursachte Aggregatbildung und Toxizität genauer. Tatsächlich setzte Koffein die Sterblichkeitsrate von Nervenzellen, die einer großen Mengen an α-Synuklein ausgesetzt waren, deutlich herab. „Wir konnten zeigen, dass Moleküle wie Koffein, die den Adenosin-A2A-Rezeptor im Gehirn ausschalten, tatsächlich auch die Toxizität von α-Synuklein beeinträchtigen”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM, Senior-Autorin der Publikation. Keinen Einfluss zeigte die Blockierung von Adenosin-A2A-Rezeptoren auf die Bildung der toxisch wirkenden Vorstufen von α-Synuklein, den primären α-Synuklein-Oligomeren. Die Anzahl an Zellen, in denen sich α-Synuklein-Aggregate angereichert hatten, war deutlich gesenkt. „Koffein und koffeinähnliche Substanzen kontrollieren also offenbar die späteren Stadien der α-Synuklein-Aggregation und verhindern dadurch die Ausbildung einer synaptischen Neurotoxizität, die letztlich auch Degenerationsprozessen entgegenwirkt, die motorische und nicht-motorische Symptome der Parkinson Erkrankung verursachen können“, sagt Prof. Dr. Tiago F. Outeiro, ebenfalls Senior-Autor der Publikation.
Epidemiologische Studien bestätigen, dass moderater Kaffeekonsum das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken, herabsetzen kann. Tatsächlich wird Koffein bereits in klinischen Studien auf seine Tauglichkeit als symptomatisches Therapeutikum bei Parkinson getestet. „Kaffee hat mittlerweile den Status eines Grundnahrungsmittels erreicht, das macht diese Verbindung besonders interessant. Natürlich ist ein erhöhter Kaffeekonsum dennoch kein geeigneter Therapieansatz”, sagt Prof. Luísa V. Lopes vom IMM Lissabon. „Wir hoffen allerdings, dass wir mit unserem Wissen weitere koffeinähnliche Moleküle identifizieren können, die alle positiven Effekte vereinen, und möglichst wenige unerwünschte und potentiell gefährliche Nebeneffekte aufweisen”, sagt Prof. Outeiro. Adenosin-A2A-Rezeptoren zählen somit zu den wichtigen Zielen für die Entwicklung effektiver Therapeutika bei der Behandlung von Parkinson und verwandter Aggregaterkrankungen. Originalpublikation: Adenosine A2A Receptors Modulate α-Synuclein Aggregation and Toxicity Diane G. Ferreira et al.; Cereb Cortex, doi: 10.1093/cercor/bhv268; 2015