Das Labyrinth der Wirbelsäulendiagnostk ist scheinbar endlos groß. Allzu häufig landet man in einer Sackgasse, dann heißt es umdrehen und einen anderen Pfad probieren. Mein Patient ist 56 Jahre alt und hat schreckliche Rückenschmerzen. Die bisherigen Befunde waren unauffällig.
Er ist 56 Jahre alt und hat Rückenschmerzen. Klein, untersetzt, hochrotes Gesicht. Das metabolische Syndrom lässt grüßen. Er sitzt mit Einweisung vom Orthopäden bei mir in der Notaufnahme und ist deprimiert.
Seit fast drei Monaten geht es berg ab. Die Rückenschmerzen hindern ihn am Arbeiten, selbst der Gang zum Stammtisch ist ihm zu weit. Der Hausarzt habe ihm Tabletten aufgeschrieben, ohne ginge es nicht. Vor allem das Aufstehen am Morgen und die Bewegung vom Sitzen in den Stand könne er kaum noch bewältigen, ohne sich mit den Händen abzustützen.
Klinische Zeichen unauffällig
Er berichtet, der Orthopäde habe vor zwei Monaten ein Röntgenbild gemacht, aber das sei unauffällig gewesen. Zweimal habe er schon eine Spritze bekommen. Aber mehr als eine kurzzeitige Linderung habe er nicht dadurch erfahren.
Die klinische Untersuchung zeigt keine ausgeprägten Auffälligkeiten. Ein leichter Klopfschmerz im Lendenwirbelbereich, paravertebrale Verspannungen, im Bereich der Facettengelenke etwas Druckschmerz. Der Patient hat keine radikuläre Symptomatik und keine sensomotorischen Ausfälle, Lasègue ist negativ, Bragard negativ, Miktion und Defäkation anamnestisch unauffällig.
Das mitgebrachte Röntgenbild (im Stehen) ist unauffällig. Es zeigt die altersentsprechenden Veränderungen. Der Patient erklärt, ein MRT sei weder vom Hausarzt und noch vom Orthopäden veranlasst worden, weil er einen Schrittmacher habe.
Immer wieder erhöhte Temperatur
Der Patient ist müde. Seine Temperatur liegt bei 38,2 °C. Einen grippalen Infekt habe er nicht gehabt. Aber vor einiger Zeit habe er vom Hausarzt Antibiotika bekommen wegen eines lang andauernden Hustens und Fieber. Allerdings habe er in letzter Zeit immer wieder das Gefühl, erhöhte Temperatur zu entwickeln.
Das Labor zeigt unauffällige Leukozytenwerte, das CRP ist minimal erhöht. Das Röntgenbild des Thorax ist unauffällig und der Urin blande.
Ich telefoniere mit dem Leiter der Wirbelsäulensektion. Die Befunde sind grundsätzlich nicht besorgniserregend. Aber die seit mehreren Monaten bestehenden Beschwerden bedürfen einer weiteren Abklärung. Als weiterführende Diagnostik veranlasse ich ein CT mit Kontrastmittel.
In Sackgasse und zurück und weiter
Bei dem Patienten zeigt sich eine Spondylodiszitis mit paravertebralem Abszess. Am Folgetag wird er operativ versorgt. Die Blutkulturen bleiben negativ, die intraoperativen Abstriche zeigen einen Staphylococcus aureus. Der Patient erhält eine intravenöse antibiotische Therapie. Im Verlauf muss er aufgrund einer Wundheilungsstörung ein weiteres Mal operiert werden und verlässt nach insgesamt 19 Tagen unsere Station.
Im Labyrinth der Wirbelsäulenveränderungen gibt es doch nur einen einzigen richtigen Weg: Wenn man in einer Sackgasse steht, muss man umdrehen und eine andere Lücke finden.