Zu viel LDL-Cholesterin kann gefährlich sein. Es lagert sich in Gefäßwänden ab und führt unter anderem zu Arteriosklerose. Eine Regler-Blockade verstärkt die Vermehrung von B-1-Zellen und somit letztlich die Antikörperproduktion.
Herzinfarkt und Schlaganfall werden zum Großteil durch die Arteriosklerose verursacht. Dabei kommt es zu einer chronischen Entzündung der Arterienwände und der Einlagerung von Cholesterin. Doch der Körper ist nicht wehrlos: Bestimmte Abwehrzellen produzieren Antikörper, die das Cholesterin binden und neutralisieren. Eine Arbeitsgruppe für Immunität und Atherosklerose der MedUni Wien um Christoph Binder konnte dies beweisen und gleichzeitig einen Ansatz liefern, mit dem jene körpereigene Schutzwirkung gestärkt werden kann. Wenn sich LDL in der Gefäßwand ablagert, kann es rasch zu chemischen Reaktionen mit Sauerstoffradikalen kommen – es oxidiert. Dadurch wird es nicht nur unbrauchbar, sondern auch schädlich: Es löst eine Entzündung aus, die zur Einwanderung von Makrophagen in die Arterienwände führt, die das oxidierte LDL wieder entfernen. Dauerhaft hohe Konzentrationen von oxidiertem LDL haben jedoch fatale Auswirkungen: Die Makrophagen lagern immer mehr davon ein und blähen sich schließlich zu „Schaumzellen“ auf. Sie schütten zusätzliche entzündliche Botenstoffe aus, wodurch weitere Fresszellen einwandern und die Entzündungsreaktion verlängern.
Eine bestimmte Gruppe von weißen Blutkörperchen – die B-1-Zellen – hält dagegen: Diese produzieren natürliche Antiköper, die oxidiertes LDL binden und neutralisieren, wodurch der Entzündungsverlauf unterbrochen wird. Diese Immunzellen tragen aber auch einen molekularen Regler, der ihre Aktivität drosselt, erklärt Erstautorin Sabrina Gruber: „Wir konnten zeigen, dass das Ausschalten dieses Reglers, des ‚Siglec-G‘ Proteins, dazu führt, dass sich die B-1-Zellen stärker vermehren und mehr Antikörper produziert werden, was Gefäße und Leber vor Entzündungen schützt.“ Den Beweis dafür erbrachten die Wissenschafter mit speziellen Labormäusen, denen das Gen für Siglec-G fehlt. Trotz extrem fettreicher Nahrung und permanent erhöhten Cholesterinwerten war die Entwicklung der Arteriosklerose und der damit häufig einhergehenden Leberentzündung massiv vermindert. Zu dem gleichen Ergebnis kamen die Forscher, wenn sie Siglec-G ausschließlich in B-Zellen entfernten, wodurch eine Beteiligung anderer Zellen an dem Effekt ausgeschlossen werden konnte. Die Produktion ganz bestimmter natürlicher Antikörper wurde dabei über das normale Ausmaß hinaus gesteigert und wirkte den Konsequenzen des entzündungsauslösenden oxidierten LDL entgegen. „Unsere Studie zeigt deutlich, dass erhöhte Spiegel dieser natürlich vorkommenden Antikörper vor Arteriosklerose und Leberentzündung schützen“, fasst Binder zusammen. „Diese Mechanismen könnten in einer Therapie genutzt werden, etwa indem man Siglec-G mit einem Medikament blockiert“. Originalpublikation: Sialic Acid-Binding Immunoglobulin-like Lectin G Promotes Atherosclerosis and Liver Inflammation by Suppressing the Protective Functions of B-1 Cells Sabrina Gruber et al.; Cell Reports, doi: 10.1016/j.celrep.2016.02.027; 2016