Der Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke soll zukünftig auch in Deutschland möglich sein. Geplant ist, dass der Import aus dem Ausland bestehen bleibt, die Versorgung deutscher Patienten aber zunehmend durch Ernten im Inland gesichert wird.
Im März 2017 ist das Gesetz „Cannabis als Medizin“ in Kraft getreten. Gut 1.000 Patienten besaßen davor bereits eine Ausnahmeregelung, die ihnen erlaubte, Medizinalcannabis zu benutzen. Inzwischen gilt das neue Gesetz knapp zwei Jahre, während dieser Zeit ist die Zahl der Verordnungen extrem gestiegen. Allein im ersten Jahr wurden knapp 71.000 cannabishaltige Arzneimittel ausgegeben, Tendenz steigend. Momentan erfolgt die Deckung dieses Bedarfs nur mit importiertem Cannabis. Erlaubt ist die Einführung aus allen Ländern, die den Anbau staatlich kontrollieren, wie zum Beispiel Kanada und die Niederlande. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überwacht mit der Bundesopiumstelle alles rund um den Import von Cannabis. Der Anbau in Deutschland würde dem Institut mehr Kontrolle geben und auch die gestiegene Nachfrage zuverlässiger decken.
Viele Verordnungen, schwammige Studienlage
Wer von einer Behandlung mit Medizinalcannabis profitiert, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. In den meisten Fällen fehlen Evidenzen oder es gibt Medikamente, die bei weniger Nebenwirkungen gleichwertig oder sogar besser wirken. Nachweislich helfen können Cannabis und seine Bestandteile aber bei chronischen Schmerzen und anderweitig nicht therapierbaren Spastiken, etwa bei Multipler Sklerose. Das war bereits vor dem Cannabis-Gesetz bekannt.
Um die gesteigerte Nachfrage zu decken, hat das Bundesinstitut jetzt ein zweites Ausschreibungsverfahren für Anbauer gestartet. Der erste Aufruf war im März 2018 gescheitert, ein Gericht hob ihn auf. In der Neuauflage der Ausschreibung hat das BfArM einiges geändert. Es stellte unter anderem klar, dass Anbau, Ernte, Transport und Lagerung nicht durch das Bundesinstitut selbst erfolgen. Stattdessen werden sie ausgelagert und über die jeweiligen Anbauer und zusätzlich beauftragten Unternehmen abgewickelt. Auch die stark gestiegene Nachfrage an Cannabismitteln wird durch die neue Ausschreibung deutlich: Waren es vorher nur 6.600 kg Cannabis, sind es jetzt 10.400 kg, die insgesamt geerntet werden müssten.
Anbau, ja – aber wie?
Auf den Aufruf haben sich 79 sogenannte Bieter gemeldet. Das können Firmen und Gemeinschaften, aber auch Privatpersonen sein. Insgesamt gibt es dreizehn Lose zu vergeben. Jedes davon steht für eine Jahresmenge von 200 kg, man kann für maximal fünf Lose den Zuschlag erhalten. Das soll kleineren Herstellerfirmen das Mitmachen ermöglichen, aber auch größere Ausfälle in der Lieferung verhindern. Über den Zuschlag wird im zweiten Quartal dieses Jahres entschieden.
Die weitere Planung zum Anbau in Deutschland sieht so aus: Das Medizinalcannabis wird durch die inzwischen eingerichtete Cannabisagentur angekauft. Sie ist der Fachabteilung „Besondere Therapieeinrichtungen und traditionelle Arzneimittel“ des BfArM zugeordnet und bestimmt auch den Herstellerabgabepreis. Die Ernte kann dann an Arzneimittelhersteller, Apotheken und Großhändler verkauft werden – das Bundesinstitut darf dabei keinerlei Gewinne verzeichnen, die eigenen Kosten aber decken. Der tatsächliche Abgabepreis in Apotheken wird durch die Arzneitmittelpreisverordnung ohne Einwirkung des BfArM geregelt.
Abrechnungen und Apotheker, Kostenübernahmen und Kassen
Entscheidend hierbei ist, dass das gehandelte Cannabis ausschließlich medizinischen Zwecken dienen darf. Daher müssen bei Anbau, Transport und Verkauf alle arznei- und betäubungsmittelrechtlichen Auflagen und vorliegenden Leitlinien eingehalten werden. Wird der Stoff zum Beispiel als Blüte angeliefert, gilt er nicht als Fertigarzneimittel, sondern als Rezepturarzneimittel, das vor Ort erst verarbeitet und nach Bedarf zubereitet wird. Die Abrechnung in der Apotheke muss entsprechend geregelt werden.
Auch die Kostenübernahme der Cannabis-Therapien durch deutsche Krankenkassen wird noch als problematisch wahrgenommen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rät Patienten deshalb, sich vor der Erstverordnung eines cannabishaltigen Arzneimittels um eine Genehmigung ihrer jeweiligen Kasse zu kümmern. Auch Ärzte hätten dadurch eine zusätzliche Verordnungssicherheit. Das BfArM wirkt trotz aller Hürden zuversichtlich: Aktuell geht es davon aus, dass Medizinalcannabis ab 2020 aus deutschem Anbau verfügbar ist.
Artikel von Lena Meyer
Bildquelle: filmbetrachterin, Pixabay