Geht es Männern an die Prostata, fürchten sie invasive Diagnostik und Therapie. Das muss nicht sein. MRTs machen so manche Biopsie zur Erkennung eines Prostatakarzinoms überflüssig. Ist die Beobachtung des Patienten in vielen Fällen sinnvoller als ein Eingriff?
Prostatakarzinome sind die häufigste Krebserkrankung und die zweithäufigste Krebstodesursache bei Deutschlands Männern. Zuletzt lag die Neuerkrankungsrate bei 57.370 Patienten pro Jahr. Trotz intensiver Forschung wissen Ärzte wenig über auslösende Faktoren oder solche, die den Verlauf beeinflussen. Männer haben ab 45 Jahren einmal jährlich Anspruch auf Leistungen zur Früherkennung mit Anamnese, Tastuntersuchung der Prostata, der Lymphknoten und der äußeren Geschlechtsorgane. PSA-Tests gehören nicht dazu, sondern werden als individuelle Gesundheitsleistungen angeboten. Der IGeL-Monitor bewertet die Untersuchungen als „tendenziell negativ“.
Jetzt kommen von der US Preventive Services Task Force (USPSTF), einem unabhängigen Gremium aus Ärzten und Forschern, neue Einschätzungen zum PSA-Test. Aufgrund weiterer Studien haben sie eine Empfehlung aus 2012 aktualisiert. Damals sprach sich die Expertengruppe noch explizit gegen PSA-Untersuchungen aus. Jetzt relativieren sie ihr ursprüngliches Votum: Bei Männern zwischen 55 bis 69 Jahren sollte die Entscheidung individuell getroffen werden. Neben medizinischen Fakten spielen auch Präferenzen von Patienten eine Rolle. „Screenings bieten einen kleinen potenziellen Vorteil, die Mortalität durch Prostatakrebs zu verringern“, heißt es im Paper. „Dem stehen potenzielle Schäden wie falsch-positive Ergebnisse, Überdiagnosen und Überbehandlungen entgegen.“ Er sieht nicht nur Vorteile durch weniger belastende Untersuchungen. Allein jede Biopsie kann zu Komplikationen wie Blutungen oder Infektionen führen. Liegen Informationen aus dem MRT vor, können Ärzte bei Risikopatienten Proben gezielter nehmen. Schon früher hatten Forscher gezeigt, dass sich Gleason-Scores aus Biopsien ohne MRT-Unterstützung und aus Präparaten von Prostatektomien oft unterscheiden. Das könnte sich durch das zweistufige Verfahren bald ändern. Mark Emberton vom University College London vermutet, bei jährlich einer Million Biopsien in der EU ließe sich jede vierte Untersuchung durch MRTs vermeiden. Um dies umzusetzen, wären nicht nur mehr Geräte, sondern auch mehr Fachärzte erforderlich.
Phototherapie beim Prostata-Ca: Laserfasern aktvieren das photosenstitivie Molekül Padeliporfin © Uniklinikum Dresden / Thomas Albrecht. Von der Diagnostik zur Therapie. Ärzte arbeiten je nach Stadium und nach Komorbiditäten mit chirurgischen beziehungsweise radiotherapeutischen Interventionen oder einer aktiven Überwachung („active surveillance“). „Gravierende Eingriffe wie die Bestrahlung des Tumors oder eine radikale Prostatektomie, sind für Prostatakarzinome mit geringem Risiko nur im Ausnahmefall zu empfehlen, da sie erhebliche Nebenwirkungen wie Inkontinenz oder Impotenz hervorrufen können“, erklärt Professor Dr. Manfred Wirth, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden. Soweit, so bekannt. Nur tun sich Ärzte offensichtlich schwer damit, einfach abzuwarten und nichts zu unternehmen. Wirth spricht in der Gruppe mit Niedrig-Risiko-Prostatakrebs von einer „fortwährenden psychischen Belastung“. Für diese Patientengruppe bietet er Phototherapien deutschlandweit erstmalig außerhalb von Studien an. Beim „Tookad“-Verfahren verabreicht er Patienten den Farbstoff Padeliporfin (Tookad®) und bringt anschließend Laserfasern in die Prostata ein. Durch die intensive Strahlung werden Blutgefäße zerstört. Das betroffene Gewebe geht zugrunde. Wirth: „Anders als Patienten, bei denen die gesamte Prostata entfernt werden musste, tritt beim Tookad-Verfahren keine Inkontinenz auf. Auch Einschränkungen bei der Potenz sind sehr selten." Zuletzt hatte eine Phase II-Studie die Sicherheit und Wirksamkeit belegt. Am Ende des 3,5-jährigen Follow-ups war die Ablation bei 51 Patienten (75%) erfolgreich. Im unbehandelten Teil der Prostata wurde bei 17 Patienten (25 %) Krebs festgestellt. Insgesamt waren 34 Patienten (50 %) in beiden Prostatalappen frei von Krebs. Die Studie arbeitet mit einer vergleichsweise kleinen Zahl an Patienten. Sein Behandlungsansatz wurde von Laienmedien mit Begeisterung aufgenommen, wirft aber Fragen auf: Profitieren Erkrankte wirklich von der Intervention, verglichen mit aktiver Überwachung? Oder wird eine neue OP-Methode auf Biegen auf Brechen eingeführt, um Schlagzeilen zu machen? Es wäre nicht die erste Ernüchterung bei Behandlungen abseits von chirurgischen Eingriffen oder Bestrahlung: Auch die hochgelobte Tiefenhyperthermie hat nicht zu den Durchbrüchen geführt, wie anfangs erhofft.