Mit wie viel Promille darf man noch in der Psychiatrie aufgenommen werden? Antwort: Das kommt drauf an. Als ich vor zwanzig Jahren angefangen habe, Nachtdienste in der Psychiatrie zu machen, gab es einen Richtwert von bis zu 2,5 Promille. Bei höheren Werten sollten Patienten auf eine internistische Intensivstation verwiesen werden. Das ist heute nicht mehr so.
Es ist nicht ganz leicht, zu sagen, wo dieser Richtwert von 2,5 Promille herkam. Am ehesten gibt es eine Entsprechung im Strafrecht. Dort gibt es zwar keine festgeschriebenen Werte, es ist aber eine ungeschriebene Daumenregel, dass bei Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt mehr als 2,5 Promille im Blut haben, alle Prozessbeteiligten erwarten, dass eine reduzierte Schuldfähigkeit zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Der Gutachter kann zwar auch argumentieren, dass eine erhaltene Schuldfähigkeit trotz mehr als 2,5 Promille bestehe, er muss das dann aber schon nachvollziehbar begründen.
Mit der Aufnahme auf eine psychiatrische oder eine internistische Station hat das Strafrecht genauer betrachtet allerdings eigentlich nichts zu tun, oder?
Mit wie viel Promille auf die Intensiv?
Was spricht für eine Intensivstation? Der Vorteil einer Intensivstation liegt darin, dass besser gewährleistet werden kann, sofort mitzubekommen, wenn etwas Gefährliches passiert und dann sofort reagieren zu können. Folgende Fälle könnten in Verbindung mit Alkohol beispielsweise eintreten:
Welches Vorgehen ist aktuell üblich?
Inzwischen ist es üblich, die Entscheidung, auf welche Station ein alkoholintoxizierter Patient aufgenommen werden soll, vom klinischen Zustand des Patienten abhängig zu machen. Wenn ein junger, den Alkohol nicht gewohnter Patient mit 2 Promille nicht mehr stand- und gangsicher ist, immer wieder einschläft, dann kaum erweckbar ist und das Vertrauen in dessen Schutzreflexe nachvollziehbar erschüttert ist, dann ist dieser Patient auf einer Station mit kontinuierlicher Überwachung wie einer Intermediate-Care-Station mit Monitorüberwachung oder einer Intensivstation sicher besser aufgehoben als auf einer geschützten psychiatrischen Station, auf der kein Monitor zur Verfügung steht und die Beobachtung nicht kontinuierlich erfolgt.
Wenn andererseits ein bekannter Patient mit 4 Promille noch gang- und standsicher ist und er in der Vergangenheit schon wiederholt einen Rausch mit solchen Ausgangswerten komplikationslos ausgeschlafen hat, kann man ihn sicher bedenkenlos in einer psychiatrischen Klinik aufnehmen und angemessene Überwachungsintervalle festlegen.
Besonders hohen Werten, vielleicht ab 4 Promille, sicher aber ab 5 Promille, sollten dazu führen, dass man den Patienten kontinuierlich überwacht, einfach weil die Vorhersagbarkeit der Vigilanz und die Verlässlichkeit der Schutzreflexe bei so hohen Intoxikationen stark abnimmt. Einen gang- und standsicheren, wachen Patienten mit 5 Promille würde ich auf eine Intensivstation vermitteln, um sicherzustellen, dass er nicht plötzlich eintrübt, aspiriert und daran letztlich stirbt. Nach partieller Detoxikation, am nächsten Morgen, nach 12 Stunden, bei weniger als 1,5 Promille oder was immer angemessen erscheint, kann dieser Patient dann zurück in die Psychiatrie übernommen werden. Für den Aufenthalt auf einer Intensivstation sprechen also folgende Punkte:
Vorgehen in anderen Kliniken
„Kommt drauf an“ ist nicht die einfachste, aber in diesem Fall wohl die richtige Antwort. Wie handhabt ihr das bei euch? Gibt es feste Promillewerte, habt ihr in eurem Krankenhaus operationalisiert, wonach entschieden wird, wer auf welche Station aufgenommen wird?
Beschreibt euer Vorgehen gerne hier in den Kommentare.